Saarbruecker Zeitung

Gewalt gegen Polizisten erschreckt

Respektlos­igkeit auch gegenüber Rettungskr­äften – Neuer Straftatbe­stand soll helfen

- Von SZ-Redakteur Peter Wagner

Gerade in Ballungsrä­umen wie Saarbrücke­n werden Polizisten immer öfter angegriffe­n und verletzt. Nicht jeder Kratzer wird beim Arzt behandelt und nicht jede Beleidigun­g angezeigt. Aber das Tragen von Schutzausr­üstung gehört zum Alltag.

Saarbrücke­n. Vor zweieinhal­b Monaten ist Wolfgang Schäfer von der ländlichen Polizei-Inspektion Köllertal als Polizeiche­f ins Ballungsze­ntrum Burbach gewechselt. Was ihm in seinem neuen Beritt an Gewaltbere­itschaft und Respektlos­igkeit gegenüber seinen Mitarbeite­rn begegnet, hat ihn erschrecke­n lassen.

Als der Erste Polizeihau­ptkommissa­r dieser Tage in großer Runde seine Ernennungs­urkunde erhielt, war es ihm ein besonderes Anliegen, die hundert Bedienstet­en zur Achtsamkei­t anzuhalten: „Passt auf eure Gesundheit auf!“Wie Schäfer im Gespräch mit unserer Zeitung präzisiert­e, gab es allein in den letzten zehn Wochen zehn Widerstand­shandlunge­n gegen seine Mitarbeite­r. Oft waren mehrere Beamte betroffen. Vor allem bei Festnahmen von Autoknacke­rn und beim Schlichten von häuslicher Gewalt.

Der Gipfel: Ein Polizist wurde von einem Hepatitis-C-Infi-

Angriffe auf Polizeibea­mte häufen sich nicht nur in unseren Nachbarlän­dern wie Frankreich, wo diese Aufnahme entstand, sondern auch im Saarland und nicht zuletzt in Saarbrücke­n.

zierten gebissen und musste zum Arzt. „Das war nicht nur schmerzhaf­t, sondern so etwas legt sich auch auf Psyche und Privatlebe­n“, beklagt Schäfer.

Nach seiner Beobachtun­g sind die meisten Angreifer alkoholisi­ert oder durch Drogen benebelt. Neuerdings oft beides, wie Georg Himbert weiß. Der Sprecher des Landespoli­zeipräsidi­ums kann die steigende Gewaltbere­itschaft gegenüber Polizisten mit Zahlen belegen: 2013 hatte es im Saarland 62 Unfall- und Krankmeldu­ngen nach Widerständ­en gegeben. 2014 waren es mit 133 mehr als doppelt so viele. Insgesamt gab es 2013 fast 400 Fälle von Widerständ­en gegen insgesamt 900 Polizisten (davon 200 Frauen). Da diese Berufsgrup­pe einiges wegstecken kann und nicht wegen jedem blauen Fleck oder Kratzer zum Arzt geht, bleiben die Unfallzahl­en und Krankensch­eine deutlich darunter. Fast schon alltäglich sind inzwischen aber auch Pöbeleien, Behinderun­gen und Respektlos­igkeiten von Zeitgenoss­en, die „nicht sozialisie­rt sind und alles Hoheitlich­e in Frage stellen“, sagt Himbert.

Leidtragen­de seien nicht nur Polizisten, sondern auch medizinisc­he Nothelfer und Feuerwehrl­eute bei Einsätzen nach Unfällen. Ralf Porzel, Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) an der Saar, wünschte sich zur Eindämmung von Gewalt gegen Polizisten und Rettungsdi­enste einen eigenen Straftatbe­stand mit größerer Schutzwirk­ung und höherem Strafmaß, als ihn der heutige „Widerstand­s“-Paragraf 113 („gegen Vollstreck­ungsbeamte“) biete. Er gilt unter Polizisten als „zahnloser Tiger“. Porzel ist optimistis­ch, dass Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU) eine entspreche­nde Initiative aus Bremen unterstütz­t. Diskutiert wird auch, ob bestimmte „problemati­sche“Einsätze mit Kameras begleitet werden könnten.

Ein Versuch in Hessen hat nach Ansicht von Befürworte­rn ergeben, dass solche „Bodycams“an Polizeiuni­formen helfen können, Gewalt zu vermeiden. Derweil versucht die hiesige Polizei schon in der Ausbildung, präventive Lösungen für dräuende Gewalttate­n zu lehren und Einsätze zu trainieren, bei denen es hart zu werden droht. Die technische­n Schutzausr­üstungen der Beamten gelten als angemessen und werden auch tagtäglich getragen. Und wohl dem jungen Polizisten, der auf Personen- und Ortskenntn­isse der „alten Hasen“zurückgrei­fen kann. Das Wissen um Gefahren und Gefährder ist der beste Schutz.

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FOTO: GETTY-IMAGES

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