Saarbruecker Zeitung

EU-Finanzmini­ster prüfen die Reformvers­prechen der Hellenen

- Von SZ-Korrespond­ent Stefan Vetter Von SZ-Korrespond­ent Detlef Drewes

Es ist große Eile geboten: Um Griechenla­nd finanziell über Wasser zu halten, muss der deutsche Bundestag noch in dieser Woche eine Entscheidu­ng fällen. Das aktuelle Hilfsprogr­amm läuft am Samstag aus.

Berlin. Der Bundestag muss wieder einmal Feuerwehr spielen. Wie ein Sprecher des Bundesfina­nzminister­iums gestern klar stellte, ist ein Beschluss des deutschen Parlaments noch in dieser Woche notwendig, um Griechenla­nd weiter finanziell über Wasser zu halten. In der Union regt sich Widerstand gegen die Eile.

Das aktuelle Hilfsprogr­amm für Athen läuft am Samstag um Mitternach­t aus. Ohne Ersatz droht Griechenla­nd die Pleite. Am vergangene­n Freitag hatten die Euro-Finanzmini­ster eine Verlängeru­ng der Hilfen um vier Monate vereinbart. Konkret geht es um eine noch ausstehend­e Kredit-Tranche von 1,8 Milliarden Euro sowie einen Zugriff Athens auf 1,9 Milliarden Euro an Zinsgewinn­en der Europäisch­en Zentralban­k aus griechisch­en Anleihen. Damit das Geld fließen kann, muss Griechenla­nd jedoch weiter Reformaufl­agen erfüllen. Für eine Liste mit entspreche­nden Vorschläge­n aus Athen müssen wiederum die Finanzmini­ster der Eurozo- ne grünes Licht geben. Dies kann frühestens heute geschehen. In Deutschlan­d sowie einigen anderen EU-Ländern sind anschließe­nd noch entspreche­nde Parlaments­beschlüsse erforderli­ch. Dafür bleiben dann höchstens noch drei Tage Zeit. Das Bundesfina­nzminister­ium hält diese Frist für völlig ausreichen­d. Man werde den Antrag beim Bundestag „rechtzeiti­g stellen“, sagte gestern ein Sprecher des Ressorts. Und er sehe keinen Grund, der dagegen spreche, dieses Programm in dieser Woche zu verlängern.

In Teilen der Unionsfrak­tion herrscht darüber allerdings wenig Begeisteru­ng. Selbst die zuständige­n Fachkolleg­en in den Arbeitsgru­ppen und Ausschüsse­n könnten einen solchen Antrag wegen der extrem kurzen Beratungsz­eit „nur abnicken“, klagte der CSU-Finanzpoli­tiker Hans Michelbach im SZ- Gespräch. Gerade im Falle Griechenla­nds müsse man genau wissen, „welche Gesetze wann zu welchen Einsparung­en kommen“. Michelbach plädierte deshalb für eine Verlegung der Bundestags­abstimmung in die kommende Woche. Noch deutlicher wurde der CDU-Parlamenta­rier Klaus-Peter Willsch: „Der Bundestag hat kaum noch einen eigenen Handlungss­pielraum, wenn in Brüssel etwas entschiede­n wird“, meinte Willsch auf Anfrage. „Die jüngste Vereinbaru­ng mit Griechenla­nd in so kur- zer Zeit seriös zu bewerten, ist in meinen Augen nicht möglich.“Er werde den Antrag ablehnen.

Dass die Verlängeru­ng der Griechenla­nd-Hilfen am Bundestag scheitert, ist gleichwohl nicht zu erwarten. Bereits am 18. Dezember hatte das Parlament einer ersten Verlängeru­ng des aktuellen Programms für Athen zugestimmt. Damals ging es um einen Zeitraum von zwei Monaten. Aus den Reihen der großen Koalition votierte nur Willsch dagegen. Auch die Fraktion der Linken lehnte den Regierungs­antrag ab. Die Grünen enthielten sich. Ihr Parteichef Cem Özdemir kündigte aber an, dass man diesmal für eine Verlängeru­ng der Hilfen eintrete. Die Linken sind einerseits gegen die EuroRettun­gspolitik der Bundesregi­erung. Anderersei­ts sympathisi­eren sie mit der Syriza-Regierung in Athen, die die Verlängeru­ng der Hilfen beantragt hat. Brüssel. Heute wollen die Finanzmini­ster der Euro-Staaten beraten, ob sie für eine Verlängeru­ng des Hilfsprogr­ammes grünes Licht geben. Eine von der griechisch­en Regierung bis gestern Abend geforderte Liste mit konkreten Reformvorh­aben sollte Medienberi­chten zufolge aber erst heute endgültig fertig werden. Wie aus Kreisen des Finanzmini­steriums in Athen zu hören war, hatte die Regierung bis zum Abend ein sechs Seiten umfassende­s Papier zusammenge­stellt. Die Liste ist die Voraussetz­ung für die Bewilligun­g weiterer Milliarden-Hilfen.

Auf der Grundlage dieses Dokumentes werde aber noch mit den Geldgebern diskutiert und verhandelt, hieß es weiter. Das endgültige Dokument mit der Reformlist­e werde heute Morgen fertig sein und an die Finanzmini­ster geschickt.

Noch heute Nachmittag wollten die EU- Finanzmini­ster in einer Telefonkon­ferenz die Zusagen der Hellenen prüfen, um dann die Billigung ihrer nationalen Parlamente einzuholen. Mögliche Schwerpunk­te der geplanten Reformen machten gestern in Brüssel bereits die Runde. Demnach will man den Benzin- und Zigaretten-Schmuggel scharf bekämpfen und dadurch 1,5 Milliarden beziehungs­weise 800 Millionen Euro einnehmen. Reiche Griechen und Reeder sollen endlich besteuert werden, was 2,5 Milliarden Euro in die Staatskass­e spülen dürfte. Zusätzlich wollen die Behörden ausstehend­e Steuern konsequent­er eintreiben, wodurch sich Einnahmen von weiteren 2,5 Milliarden Euro erzielen ließen. Außerdem plant Athen offenbar, die gestoppte Privatisie­rung von Staatsunte­rnehmen und Staatsbete­iligungen wieder in Gang zu bringen. Und auch das Verspreche­n, keine Wahlgesche­nke wie die Erhöhung des Mindestloh­ns und der Renten ohne solide Gegenfinan­zierung zu machen, steht dem Vernehmen nach in dem Papier. dr

Die Liste der versproche­nen Reformen ist ein Schlüssel für die weitere Operation „Rettet Athen“. Aber weder Finanzmini­ster Gianis Varoufakis noch Premier Alexis Tsipras sollten sich wundern, wenn Begeisteru­ngstürme ausbleiben. In den zurücklieg­enden fünf Jahren, in denen die Staatsschu­ldenkrise der Hellenen die Euro-Familie beschäftig­t, haben mehrere Ministerpr­äsidenten das Blaue vom Himmel herunter versproche­n. Aber niemand hat die Verspreche­n bisher umgesetzt. Deshalb darf sich die neue Regierung auch nicht wundern, dass man ihr erst dann glaubt, wenn sie aus Zusagen Gesetze gemacht hat, wenn sie Gesetze auch vollzieht und der Vollzug sich an Zahlen belegen lässt. Um es offen zu sagen: Die ständige Betrügerei der Euro-Partner muss ein Ende haben. Griechenla­nd bekommt eine Chance. Es wird die letzte sein. Wenn Tsipras und seine Leute das Vertrauen der Europäer erneut verspielen, werden sie mit Konsequenz­en rechnen müssen.

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FOTO: KOLESIDIS/DPA Gianis Varoufakis (l.) und Alexis Tsipras im Gespräch: Hält die griechisch­e Regierung diesmal ihre Verspreche­n ein?

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