EU-Finanzminister prüfen die Reformversprechen der Hellenen
Es ist große Eile geboten: Um Griechenland finanziell über Wasser zu halten, muss der deutsche Bundestag noch in dieser Woche eine Entscheidung fällen. Das aktuelle Hilfsprogramm läuft am Samstag aus.
Berlin. Der Bundestag muss wieder einmal Feuerwehr spielen. Wie ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums gestern klar stellte, ist ein Beschluss des deutschen Parlaments noch in dieser Woche notwendig, um Griechenland weiter finanziell über Wasser zu halten. In der Union regt sich Widerstand gegen die Eile.
Das aktuelle Hilfsprogramm für Athen läuft am Samstag um Mitternacht aus. Ohne Ersatz droht Griechenland die Pleite. Am vergangenen Freitag hatten die Euro-Finanzminister eine Verlängerung der Hilfen um vier Monate vereinbart. Konkret geht es um eine noch ausstehende Kredit-Tranche von 1,8 Milliarden Euro sowie einen Zugriff Athens auf 1,9 Milliarden Euro an Zinsgewinnen der Europäischen Zentralbank aus griechischen Anleihen. Damit das Geld fließen kann, muss Griechenland jedoch weiter Reformauflagen erfüllen. Für eine Liste mit entsprechenden Vorschlägen aus Athen müssen wiederum die Finanzminister der Eurozo- ne grünes Licht geben. Dies kann frühestens heute geschehen. In Deutschland sowie einigen anderen EU-Ländern sind anschließend noch entsprechende Parlamentsbeschlüsse erforderlich. Dafür bleiben dann höchstens noch drei Tage Zeit. Das Bundesfinanzministerium hält diese Frist für völlig ausreichend. Man werde den Antrag beim Bundestag „rechtzeitig stellen“, sagte gestern ein Sprecher des Ressorts. Und er sehe keinen Grund, der dagegen spreche, dieses Programm in dieser Woche zu verlängern.
In Teilen der Unionsfraktion herrscht darüber allerdings wenig Begeisterung. Selbst die zuständigen Fachkollegen in den Arbeitsgruppen und Ausschüssen könnten einen solchen Antrag wegen der extrem kurzen Beratungszeit „nur abnicken“, klagte der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach im SZ- Gespräch. Gerade im Falle Griechenlands müsse man genau wissen, „welche Gesetze wann zu welchen Einsparungen kommen“. Michelbach plädierte deshalb für eine Verlegung der Bundestagsabstimmung in die kommende Woche. Noch deutlicher wurde der CDU-Parlamentarier Klaus-Peter Willsch: „Der Bundestag hat kaum noch einen eigenen Handlungsspielraum, wenn in Brüssel etwas entschieden wird“, meinte Willsch auf Anfrage. „Die jüngste Vereinbarung mit Griechenland in so kur- zer Zeit seriös zu bewerten, ist in meinen Augen nicht möglich.“Er werde den Antrag ablehnen.
Dass die Verlängerung der Griechenland-Hilfen am Bundestag scheitert, ist gleichwohl nicht zu erwarten. Bereits am 18. Dezember hatte das Parlament einer ersten Verlängerung des aktuellen Programms für Athen zugestimmt. Damals ging es um einen Zeitraum von zwei Monaten. Aus den Reihen der großen Koalition votierte nur Willsch dagegen. Auch die Fraktion der Linken lehnte den Regierungsantrag ab. Die Grünen enthielten sich. Ihr Parteichef Cem Özdemir kündigte aber an, dass man diesmal für eine Verlängerung der Hilfen eintrete. Die Linken sind einerseits gegen die EuroRettungspolitik der Bundesregierung. Andererseits sympathisieren sie mit der Syriza-Regierung in Athen, die die Verlängerung der Hilfen beantragt hat. Brüssel. Heute wollen die Finanzminister der Euro-Staaten beraten, ob sie für eine Verlängerung des Hilfsprogrammes grünes Licht geben. Eine von der griechischen Regierung bis gestern Abend geforderte Liste mit konkreten Reformvorhaben sollte Medienberichten zufolge aber erst heute endgültig fertig werden. Wie aus Kreisen des Finanzministeriums in Athen zu hören war, hatte die Regierung bis zum Abend ein sechs Seiten umfassendes Papier zusammengestellt. Die Liste ist die Voraussetzung für die Bewilligung weiterer Milliarden-Hilfen.
Auf der Grundlage dieses Dokumentes werde aber noch mit den Geldgebern diskutiert und verhandelt, hieß es weiter. Das endgültige Dokument mit der Reformliste werde heute Morgen fertig sein und an die Finanzminister geschickt.
Noch heute Nachmittag wollten die EU- Finanzminister in einer Telefonkonferenz die Zusagen der Hellenen prüfen, um dann die Billigung ihrer nationalen Parlamente einzuholen. Mögliche Schwerpunkte der geplanten Reformen machten gestern in Brüssel bereits die Runde. Demnach will man den Benzin- und Zigaretten-Schmuggel scharf bekämpfen und dadurch 1,5 Milliarden beziehungsweise 800 Millionen Euro einnehmen. Reiche Griechen und Reeder sollen endlich besteuert werden, was 2,5 Milliarden Euro in die Staatskasse spülen dürfte. Zusätzlich wollen die Behörden ausstehende Steuern konsequenter eintreiben, wodurch sich Einnahmen von weiteren 2,5 Milliarden Euro erzielen ließen. Außerdem plant Athen offenbar, die gestoppte Privatisierung von Staatsunternehmen und Staatsbeteiligungen wieder in Gang zu bringen. Und auch das Versprechen, keine Wahlgeschenke wie die Erhöhung des Mindestlohns und der Renten ohne solide Gegenfinanzierung zu machen, steht dem Vernehmen nach in dem Papier. dr
Die Liste der versprochenen Reformen ist ein Schlüssel für die weitere Operation „Rettet Athen“. Aber weder Finanzminister Gianis Varoufakis noch Premier Alexis Tsipras sollten sich wundern, wenn Begeisterungstürme ausbleiben. In den zurückliegenden fünf Jahren, in denen die Staatsschuldenkrise der Hellenen die Euro-Familie beschäftigt, haben mehrere Ministerpräsidenten das Blaue vom Himmel herunter versprochen. Aber niemand hat die Versprechen bisher umgesetzt. Deshalb darf sich die neue Regierung auch nicht wundern, dass man ihr erst dann glaubt, wenn sie aus Zusagen Gesetze gemacht hat, wenn sie Gesetze auch vollzieht und der Vollzug sich an Zahlen belegen lässt. Um es offen zu sagen: Die ständige Betrügerei der Euro-Partner muss ein Ende haben. Griechenland bekommt eine Chance. Es wird die letzte sein. Wenn Tsipras und seine Leute das Vertrauen der Europäer erneut verspielen, werden sie mit Konsequenzen rechnen müssen.