Pomp und Politik
Eindrücke von der 87. Oscar-Verleihung in Los Angeles
Mit je vier Oscars für „Birdman“und „The Grand Budapest Hotel“stand die 87. Oscar-Verleihung im Zeichen von Produktionen abseits des Kommerzes. „Boyhood“und „American Sniper“waren die Verlierer des Abends, der mit einigen politischen Statements überraschte – und mit einem Moderator, dem viele mehr zugetraut hatten.
Los Angeles. „Wer hat dem Hundesohn eigentlich eine ‚Green Card“gegeben?“Es war ein rustikaler Scherz von Schauspieler Sean Penn, der dem Regisseur Alejandro González Iñárritu den Oscar für seinen Film „Birdman“überreichte – aber er passte zu dem, was der Mexikaner in seiner Dankesrede sagte: Seinen Landsleuten in ihrer Heimat wünschte er „eine Regierung, die wir verdienen“. Und über die mexikanischen Immigranten in den USA sagte er: „Ich bete dafür, dass sie mit derselben Würde und dem Respekt behandelt werden wie diejenigen, die vor ihnen kamen und diese unglaubliche Einwanderer-Nation aufgebaut haben.“
Dies war nur eines der politischen Statements dieser ansonsten spannungsarmen 87. Oscar-Verleihung. Zwischen Pomp und Pathos brach sich immer wieder das wirkliche Leben seine Bahn. Etwa als Schauspielerin Patricia Arquette, prämiert als beste Nebendarstellerin in „Boyhood“, gleiche Löhne und gleiche Rechte für Frauen in den USA forderte. Am deutlichsten wurde Musiker John Legend, nachdem sein (ziemlich pathetisches) Lied „Glory“die Auszeichnung für den besten Filmsong erhalten hatte – im Film „Selma“über Martin Luther King. „Es sind heute mehr Schwarze unter Kontrolle der US-Justiz als zu Zeiten der Sklaverei 1850“, sagte Legend. „Selma“spiele zwar in den 60er Jahren, aber eigentlich handele er vom heutigen Kampf gegen Rassismus und Diskrimierung, der noch lange nicht vorbei sei.
Der Abend war ein Triumph für die Schauspieler-Satire „Birdman“mit seinen vier wichtigen Oscars und auch für Wes Andersons viermal prämierte, vor Ideen überbordende Tragikomödie „The Grand Budapest Hotel“(siehe Infokasten); sie entstand im sächsischen Görlitz und im Studio Babelsberg. Beide Filme erfreuen mit eigenwilligen Geschichten und Erzählweisen, ebenso wie „Boyhood“, leider der große Verlierer des Abends: Richard Linklaters Film über das Heranwachsen eines Kindes zum jungen Mann, gedreht über den Zeitraum von zwölf Jahren, war sechs Mal nominiert – aber es blieb beim Nebendarsteller- Oscar für Pat- ricia Arquette. Clint Eastwoods Irakkriegs-Film „American Sniper“gewann bei sechs Nominierungen lediglich einen Oscar für den Tonschnitt.
Komponist Hans Zimmer, nominiert für „Interstellar“, und Wim Wenders, nominiert für seine Doku „Salz der Erde“, gingen leer aus – anders als die deutsche Koproduktion „Citizenfour“– Laura Poitras’ Film über Edward Snowden wurde als beste Dokumentation ausgezeichnet. Mit auf der Bühne des Dolby Theatres war auch der Journalist und SnowdenVertraute Glenn Greenwald – er nimmt am 15. März in Homburg den Siebenpfeiffer-Preis entgegen.
Was bleibt sonst von diesem langen Oscar-Abend im Gedächtnis? Gewohnt salbungsvolle Phrasen wie „Filme erzählen davon, was es heißt, Mensch zu sein“(Nicole Kidman); die schrille Scheußlichkeit des Lieds „Everything is awesome“aus „The Lego Movie“; die Lässigkeit des polnischen Oscar- Gewinners Pawel Pawlikowski („Ida“), der sich vom Orchester, das seine Rede beenden sollte, nicht beirren ließ; und der Moderator Neil Patrick Harris: Manche sahen ihn vorab als Retter der Zeremonie, dessen Vorgänger Ellen DeGeneres und Seth MacFarlane glücklos agierten. Er überzeugte auch nicht vollends, manche Gags zündeten, viele nicht. Aber die Eröffnung, eine getanzte und gesungene Liebeserklärung ans Kino, war famos in ihrer Mischung aus Kitsch und Pathos, wie sie so doch nur Hollywood gelingt.