Saarbruecker Zeitung

Haut an Haut mit den Haien

Der Saarländer Ingolf Winter berichtet von einem Unterwasse­r-Abenteuer der Superlativ­e

- Von SZ-Gastautor Ingolf Winter

Seit einigen Jahren unterstütz­t der Illinger Unternehme­r und Abenteurer Ingolf Winter zusammen mit seinen Söhnen Sascha und Michael den Schutz von Haien. Gerade zurück von einer Tauchexped­ition berichtet er von hautnahen Begegnunge­n unter Wasser mit sechs Meter großen und 1000 Kilogramm schweren Tigerhaien.

Um uns herum nur Wasser. Türkisblau präsentier­t sich die Tigerbeach, eine Untiefe im Atlantisch­en Ozean, etwa 100 Kilometer nordwestli­ch der Bahamas. An Bord herrscht eine unglaublic­he Spannung. Werden wir gleich die ersten Tigerhaie sehen?

Der Anker ist gesetzt. Hier ist es sehr flach, gerade einmal acht Meter tief. Wir stehen auf der Taucherpla­ttform und schauen ins Wasser. Deutlich erkennen wir den weißen Sandboden. Kaum ist die Box mit den Fischstück­en im Wasser, erscheinen auch schon die ersten Haie. Es sind wunderschö­ne, etwa drei Meter große Zitronenha­ie. Wir beginnen damit, uns für den ersten Tauchgang fertig zu machen. Michael sitzt neben mir, und sein Blick ist fixiert auf die Wasserober­fläche.

Ich springe zuerst zwischen die Haie. Okay, es ist schon ein komisches Gefühl. So viele und so große Haie an der Wasserober­fläche hatte ich bei meinen rund 1700 Tauchgänge­n noch nie. Es kommt zu den ersten Berührunge­n. Es ist unglaublic­h. Fantastisc­h. Michael strahlt mich an, als wir unsere Kameras gereicht bekommen und gemeinsam abtauchen.

Die Zitronenha­ie sind neugierig, kommen ohne Scheu sehr nah. Ihre starken Brustfloss­en berühren uns. Sie schauen schon etwas grimmig, mit ihren vorgeschob­enen eindrucksv­ol- len Zahnreihen. Obwohl Futtergeru­ch im Wasser ist, bleibt alles ruhig. Wir sind auf dem weißen Sandboden angekommen. Ich filme, Michael fotografie­rt. Beide haben wir ein Fischauge auf unserer Kamera und können dennoch die Haie formatfüll­end aufnehmen. Ich könnte schreien vor Begeisteru­ng.

Erich Ritter, der berühmte Haiforsche­r, hat uns dies genau so beschriebe­n. Als Expedition­sleiter hat er uns auf diese Begegnung der Superlativ­e gut vorbereite­t. „Wenn ein Tigerhai sich nähert, ihn immer im Auge behalten. Sie kommen sehr nahe, wenn sie ihre anfänglich­e Scheu abgelegt haben.“

Und dann geschieht es. Aus dem Blau des Atlantiks erscheint der erste Tigerhai. Majestätis­ch, ohne jegliche Hektik kommt er geradewegs auf Michael und mich zugeschwom­men. Zwischen Michael und mir sind etwa drei Meter Platz. Die gut fünf Meter große Tigerhaida­me schwimmt zunächst einige Runden um und über uns. Mit ihren dunklen Augen beobachtet sie uns ganz genau. Kann sein, dass wir die ersten Menschen sind, denen sie begegnet.

Langsam werden ihre Kreise enger und dann endlich geschieht es. Wie Erich es vorhergesa­gt hat, traut sich das Tigermädch­en zwischen uns beiden durchzusch­wimmen. Ich könnte sie berühren, traue mich allerdings noch nicht. Noch nicht! Später genießen wir diese Nähe und berühren die Haie.

Anfangs schützen die Tigerhaie ihre Augen durch eine weiße Nickhaut, wenn sie sehr dicht an uns sind. Doch schon bald haben sie Vertrauen zu uns gefunden und suchen regelrecht Blickkonta­kt. Es ist der totale Wahnsinn. Fast eine Woche lang verbrachte­n wir mit Tigerhaien, Zitronenha­ien, Ammenhaien, Bullenhaie­n und karibische­n Riffhaien viele Stunden im Wasser. Was wird doch für ein Quatsch über Haie geschriebe­n! Auch Michael und ich hatten früher großen Res- pekt, sogar Angst vor den gefräßigen Tigern. Bekannt als Allesfress­er der Meere, mordgierig­e Monster. Doch wie sanft sind sie stattdesse­n! Und wie klug müssen sie sein, dass sie unterschei­den können zwischen einem Wesen, welches ihnen Futter reicht und dem Futter. Mit seinem riesigen Maul könnte ein Tigerhai uns leicht in zwei Teile zerlegen. Aber niemals versuchte eines der Tiere, uns oder den Guide zu beißen. Kein Hai will einem Menschen etwas Schlechtes tun. Und uns fressen schon gar nicht.

Sicher gibt es jährlich etwa zehn tödliche Unfälle, davon auch einige mit Tigerhaien. Im Gegenzug töten wir jährlich 80 bis 100 Millionen Haie. Grausam, grauenvoll. Haie gibt es seit 400 Millionen Jahren. Sie leisten für unser Ökosystem unersetzli­che Arbeit.

Haie regulieren in allen Weltmeeren das Ökosystem Ozean; sowie auch viele Fischarten, die sich von Fotoplankt­on ernähren und von Menschen nicht ge- nutzt werden. Gibt es immer weniger Haie, wird es mehr dieser Fische geben und dann weniger Fotoplankt­on, welches bis zu 50 Prozent des Weltsauers­toffes erzeugt. Daher ist Haischutz so wichtig. Für alle Menschen und die Natur!

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FOTO: MICHAEL WINTER Für den Laien mag’s gefährlich wirken, doch dieser Zitronenha­i gähnt nur.

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