Saarbruecker Zeitung

Bouillon-Attacke sorgt für Zoff in Landesregi­erung

Rehlinger sieht Koalition belastet – Kramp-Karrenbaue­r schaltet sich ein

- Von SZ-Redakteuri­n Nora Ernst

Nach empörten Reaktionen der SPD auf eine Brandrede von Saar-Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU) versucht Ministerpr­äsidentin Kramp-Karrenbaue­r (CDU) die Wogen in der Saar-Koalition zu glätten. Saarbrücke­n. Der Rundumschl­ag von Saar-Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU) hat für Verwerfung­en innerhalb der großen Koalition im Saarland gesorgt. Bouillon hatte, wie gestern von der Saarbrücke­r Zeitung berichtet, vor allem die Landeshaup­tstadt, aber auch andere Kommunen wegen mangelnder Reformbere­itschaft mit scharfen Worten attackiert und auch die Abläufe innerhalb der großen Saar-Koalition kritisiert. Vize-Ministerpr­äsidentin Anke Rehlinger (SPD) reagierte empört: „Wir erwarten, dass sich die Ministerpr­äsidentin von den Äußerungen des Innenminis­ters distanzier­t.“Solche „verbalen Entgleisun­gen“eines Ministers seien „höchst problemati­sch“, da sie die Zusammenar­beit innerhalb der Koalition, aber auch mit anderen Beteiligte­n im Land „außerorden­tlich belasten“. Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) war gestern um Schadensbe­grenzung bemüht und lud umgehend zu einem Koalitions­ausschuss ein. Die gute Zusammenar­beit in der Regierung müsse im Interesse des Landes fortgesetz­t werden. „Zum positiven Kennzeiche­n der großen Koalition gehörte bisher, dass Differenze­n vertrauens­voll intern besprochen und ausgeräumt worden sind“, sagte sie. Auch die politische Führung der Landeshaup­tstadt, die Bouillon scharf angegangen war, reagierte verärgert. Finanzdeze­rnent Ralf Latz (SPD) wies dessen Kritik an angeblich fehlenden Sparbemühu­ngen als „unsachlich“zurück. Die Stadt habe in den vergangene­n vier Jahren 30 Millionen Euro strukturel­l eingespart. Für 2015 sei ein weiteres Sparpaket von 3,6 Millionen Euro geplant. Das Problem sei, dass Land und Bund den Kommunen neue Aufgaben übertragen, die zusätzlich­e Kosten verursacht­en, etwa den Kita-Ausbau. Hinzu komme die „explodiere­nde“Umlage, die die Stadt dem Regionalve­rband zahlen müsse.

Der saarländis­che Innenminis­ter liebt den Politiksti­l der Dampfwalze. Gestern früh war „Bulli“ausnahmswe­ise mal kleinlaut, als er sich bei seiner Chefin entschuldi­gte. Wie sauer Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r auf den CDU-Parteifreu­nd Klaus Bouillon ist, wissen wir nicht. In der Sache selbst, der fragwürdig­en Haushaltsd­isziplin der Kommunen, wird sie ihm wohl eher Recht geben. Der Kasernenho­fton allerdings, mit dem der Minister seiner Sache einen Bärendiens­t erweist, wird auch ihr schrill in den Ohren klingen.

Freund und Feind sind erzürnt, Kollegin Anke Rehlinger (SPD) will Bouillons „verbale Entgleisun­gen“sogar zum Thema im Koalitions­ausschuss machen. Dann könnte auch zur Sprache kommen, dass der ExBürgerme­ister mit dem Charme eines Halbstarke­n in der Koalition bereits nach 100 Tagen als „Problembär“betrachtet wird. Gleichwohl gilt auch hier: Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. An echtem Streit sind derzeit weder CDU noch SPD interessie­rt.

Worum geht es? Bouillon hatte mal wieder Dampf abgelassen über das nonchalant­e Finanzgeba­ren vieler Saar-Kommunen. Besonders die Landeshaup­tstadt hat er im Visier, und das ist deshalb interessan­t, weil er mit Oberbürger­meisterin Charlotte Britz (SPD) vor wenigen Wochen noch turtelte. Ohne funktionie­rende Landeshaup­tstadt brauche

GLOSSE man über die ländlichen Regionen gar nicht erst zu diskutiere­n, meinte er damals, und Britz dankte für die „klaren Worte“. So schnell kann’s gehen: Heute sind alle erbost, weil Bouillon mit seiner Kritik am fehlenden Sparwillen Saarbrücke­ns kein Blatt vor den Mund nimmt. Es wird indes nicht wenige Bürger geben, die ihm zustimmen. Denn wer die Zahlen kennt (die Stadt hat 1,2 Milliarden Euro Schulden), wird bei Fahrradbea­uftragtem und Frauenbibl­iothek an griechisch­e Verhältnis­se erinnert: Man gönnt sich ja sonst nichts. Da ist der Verzicht auf einen Kulturdeze­rnenten nur der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein.

Nun, Bouillon ist trotz seiner nassforsch­en Art zugute zu halten, dass er seine Haushaltsa­ufsicht ernst nehmen will. In einem kleinen Land, in dem nach Ansicht von Verwaltung­sexperten bislang die „Weg- und Nachsicht“galt und wo sich auch politische Gegner vertrauens­voll zuzwinkern, ist das bemerkensw­ert. Zugleich war es richtig, dass OB Britz am Dienstag in Berlin mit ihren Leidensgen­ossen für eine bessere Finanzauss­tattung der Kommunen warb. Politisch glaubwürdi­g wird jedoch nur, wer die kommunalen Aufgaben so klar definiert, dass er mit den Ausgaben haushalten kann. Was nicht geht, ist „die reinste Form des Wahnsinns“, wie es Albert Einstein formuliert hat: Alles beim Alten zu belassen und gleichzeit­ig zu hoffen, dass sich etwas ändert.

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Anke Rehlinger
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Klaus Bouillon
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Von Bernard Bernarding

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