Saarbruecker Zeitung

Es geht wieder los

Nach einer siebenwöch­igen Pause erscheint „Charlie Hebdo“wieder regelmäßig

- Von SZ-Korrespond­entin Christine Longin

„Charlie Hebdo“ist zurück. Nach dem Mordanschl­ag auf die Redaktion liegt eine neue Ausgabe des französisc­hen Satiremaga­zins in Millionena­uflage an den Kiosken. Einen Run auf das Heft wie bei der „Wir-leben-noch“Ausgabe nach dem Anschlag gibt es aber nicht.

Paris. „Es geht wieder los“lautet die Schlagzeil­e auf der knallroten Seite eins. Gemeint ist die Jagd auf das französisc­he Satiremaga­zin „Charlie Hebdo“. Ein kleiner Hund mit einer Ausgabe der Zeitung in der Schnauze wird von all denen verfolgt, die sich von den Karikature­n des Blattes seit jeher beleidigt fühlen: Die Rechtspopu­listin Marine Le Pen, der Papst, Ex-Präsident Nicolas Sarkozy und ein schwarzer Kampfhund mit Dschihadis­ten-Stirnband, aber auch ein Banker und ein HomoEhen- Gegner. Sieben Wochen nach dem islamistis­chen Anschlag auf die Redaktion, bei dem zehn Journalist­en und zwei Polizisten starben, ist der Islamismus auch im neuen Heft ein Thema. Auf eine Mohammed-Karikatur hat „Charlie Hebdo“diesmal allerdings verzichtet

„Fruchtbare Debatte über die Meinungsfr­eiheit in Kopenhagen. In weniger als zwei Minuten auf 200 Ideen geschossen“, steht unter einer Zeichnung zu den Anschlägen in der dänischen Hauptstadt. „Das war wie ein Schlag ins Gesicht“, erinnert Zeichner Luz sich im Radio an die Reaktion auf den Angriff, der möglicherw­eise dem schwedisch­en Karikaturi­sten Lars Vilks galt. Auch ihre eigene Identitäts­krise zeigt die Redaktion im neuen Heft: Unter einer Bilderseri­e von Solidaritä­tsdemonstr­ationen mit dem Slogan „Ich bin Charlie“sitzen zwei von der Polizei bewachte Journalist­en, die sich fragen: „Und wer bin ich?“.

Vor dem Neuanfang

„Charlie wurde zerschmett­ert und wird sich nun nach und nach wieder aufbauen“, sagt Luz. Nach dem Tod von Redaktions­leiter Stéphane Charbonnie­r hat inzwischen Zeichner Laurent Sourisseau, genannt Riss, die Leitung übernommen. Auch zwei neue Zeichner gehören zur Redaktion, deren bekanntest­e Karikaturi­sten Cabu, Wolinski, Tignous und Honoré bei dem Anschlag starben.

Die Überlebend­en hatten wenige Tage nach dem Attentat ein Heft herausgebr­acht, das eine Rekordaufl­age von rund acht Millionen Exemplaren erreichte. Die legendäre Nummer 1178 mit einer Mohammed-Karikatur auf dem Titelblatt war in ganz Paris schon wenige Stunden nach ihrem Erscheinen ausverkauf­t gewesen. Die Nachfrage nach dem neuen Heft, das in einer Auflage von 2,5 Millionen Exemplaren erscheint, war gestern nicht so groß. „Ich habe zwanzig Exemplare verkauft – nicht so viel wie am 14. Januar, aber immerhin“, sagt ein Zeitschrif­tenhändler im Südwesten von Paris. „Beim letzten Mal waren alle 240 nach einer Stunde weg.“Auch die frühmorgen­dlichen Schlangen, die sich beim Erscheinen der Ausgabe der Überlebend­en am 14. Januar landesweit vor den Verkaufsst­änden gebildet hatten, blieben dieses Mal aus.

Mit der neuen Nummer wollen die Journalist­en, die seit dem tödlichen Überfall in den Räumen der linksliber­alen Zeitung „Libération“arbeiten, wie- der zu einer Art Redaktions­alltag zurückkehr­en. „Ich hatte Lust, die Rückkehr zur lustigen Kritik in ‚Charlie Hebdo’ zu zeichnen,“, sagt Luz. „Das ist auch eine Art, nicht von dem Erlebten besessen zu sein.“

Die Redaktion sucht auch nach einem neuen Büro, das allerdings hohen Sicherheit­sanforderu­ngen entspreche­n muss. Eine Karikatur zeigt bereits die neuen Räume: einen grauen Bunker am Strand. Aus dem Sehschlitz dringt eine Wortblase mit dem Kommentar: „Mit Meerblick“.

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FOTO: DPA Die neue Ausgabe von „Charlie Hebdo“trägt den Titel „Es geht wieder los“. Zu sehen sind unter anderem der Papst, FN-Chefin Marine Le Pen und der UMP-Chef Nicolas Sarkozy.

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