Es geht wieder los
Nach einer siebenwöchigen Pause erscheint „Charlie Hebdo“wieder regelmäßig
„Charlie Hebdo“ist zurück. Nach dem Mordanschlag auf die Redaktion liegt eine neue Ausgabe des französischen Satiremagazins in Millionenauflage an den Kiosken. Einen Run auf das Heft wie bei der „Wir-leben-noch“Ausgabe nach dem Anschlag gibt es aber nicht.
Paris. „Es geht wieder los“lautet die Schlagzeile auf der knallroten Seite eins. Gemeint ist die Jagd auf das französische Satiremagazin „Charlie Hebdo“. Ein kleiner Hund mit einer Ausgabe der Zeitung in der Schnauze wird von all denen verfolgt, die sich von den Karikaturen des Blattes seit jeher beleidigt fühlen: Die Rechtspopulistin Marine Le Pen, der Papst, Ex-Präsident Nicolas Sarkozy und ein schwarzer Kampfhund mit Dschihadisten-Stirnband, aber auch ein Banker und ein HomoEhen- Gegner. Sieben Wochen nach dem islamistischen Anschlag auf die Redaktion, bei dem zehn Journalisten und zwei Polizisten starben, ist der Islamismus auch im neuen Heft ein Thema. Auf eine Mohammed-Karikatur hat „Charlie Hebdo“diesmal allerdings verzichtet
„Fruchtbare Debatte über die Meinungsfreiheit in Kopenhagen. In weniger als zwei Minuten auf 200 Ideen geschossen“, steht unter einer Zeichnung zu den Anschlägen in der dänischen Hauptstadt. „Das war wie ein Schlag ins Gesicht“, erinnert Zeichner Luz sich im Radio an die Reaktion auf den Angriff, der möglicherweise dem schwedischen Karikaturisten Lars Vilks galt. Auch ihre eigene Identitätskrise zeigt die Redaktion im neuen Heft: Unter einer Bilderserie von Solidaritätsdemonstrationen mit dem Slogan „Ich bin Charlie“sitzen zwei von der Polizei bewachte Journalisten, die sich fragen: „Und wer bin ich?“.
Vor dem Neuanfang
„Charlie wurde zerschmettert und wird sich nun nach und nach wieder aufbauen“, sagt Luz. Nach dem Tod von Redaktionsleiter Stéphane Charbonnier hat inzwischen Zeichner Laurent Sourisseau, genannt Riss, die Leitung übernommen. Auch zwei neue Zeichner gehören zur Redaktion, deren bekannteste Karikaturisten Cabu, Wolinski, Tignous und Honoré bei dem Anschlag starben.
Die Überlebenden hatten wenige Tage nach dem Attentat ein Heft herausgebracht, das eine Rekordauflage von rund acht Millionen Exemplaren erreichte. Die legendäre Nummer 1178 mit einer Mohammed-Karikatur auf dem Titelblatt war in ganz Paris schon wenige Stunden nach ihrem Erscheinen ausverkauft gewesen. Die Nachfrage nach dem neuen Heft, das in einer Auflage von 2,5 Millionen Exemplaren erscheint, war gestern nicht so groß. „Ich habe zwanzig Exemplare verkauft – nicht so viel wie am 14. Januar, aber immerhin“, sagt ein Zeitschriftenhändler im Südwesten von Paris. „Beim letzten Mal waren alle 240 nach einer Stunde weg.“Auch die frühmorgendlichen Schlangen, die sich beim Erscheinen der Ausgabe der Überlebenden am 14. Januar landesweit vor den Verkaufsständen gebildet hatten, blieben dieses Mal aus.
Mit der neuen Nummer wollen die Journalisten, die seit dem tödlichen Überfall in den Räumen der linksliberalen Zeitung „Libération“arbeiten, wie- der zu einer Art Redaktionsalltag zurückkehren. „Ich hatte Lust, die Rückkehr zur lustigen Kritik in ‚Charlie Hebdo’ zu zeichnen,“, sagt Luz. „Das ist auch eine Art, nicht von dem Erlebten besessen zu sein.“
Die Redaktion sucht auch nach einem neuen Büro, das allerdings hohen Sicherheitsanforderungen entsprechen muss. Eine Karikatur zeigt bereits die neuen Räume: einen grauen Bunker am Strand. Aus dem Sehschlitz dringt eine Wortblase mit dem Kommentar: „Mit Meerblick“.