Saarbruecker Zeitung

Koalition bremst die Makler aus

Einigung beim Spitzentre­ffen im Kanzleramt: Mieten werden künftig gedeckelt – Wer einen Vermittler bestellt, der zahlt auch

- Von SZ-Korrespond­ent Stefan Vetter

Wenn es ein Problem gibt, erfindet die Politik eine Bremse. Nach zähen Debatten um eine Begrenzung der Mietpreise hat die große Koalition nun einen Haken an das Projekt drangemach­t. Die Makler drohen mit einer Klagewelle.

Berlin. Beschlosse­n, wieder aufgeschnü­rt, noch mal beschlosse­n. Beim SPD-Wunschproj­ekt einer Mietpreisb­remse hat die große Koalition schon ein sonderbare­s Schauspiel aufgeführt. So ist am Ende des gestrigen vierstündi­gen Spitzentre­ffens die wichtigste Nachricht: Die Mieten-Deckelung kommt, aber das Projekt ist so komplex, dass auch einige Koalitionä­re den Überblick verlieren. Und es ist eher ein „Bremschen“, spottet die Opposition. Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD) zeigte sich dagegen zufrieden. „Ich glaube, viele Mieterinne­n und Mieter in Deutschlan­d können sich freuen“, sagte er. Wie in dem bereits vom Kabinett beschlosse­nen Gesetzentw­urf vorgesehen, sollen Neubauten von der Mietpreisb­remse ausgenomme­n werden. „Klar ist, wer viel Geld in die Hand nimmt, um Wohnungen zu bauen, dem wird auch nicht die Mietpreisb­remse dann nachher vorgeben, wie er die Mieten festlegt“, betonte Maas. Gerade in Groß- und Universitä­tsstädten steigen seit Jahren die Mieten stark an – die Landflucht vieler Menschen lässt den Wohnraum knapp werden. Hohe Nachfrage trifft auf zu wenig Angebot. Im Wahlkampf 2013 erzählte SPD-Kandidat Peer Steinbrück gern die Geschichte eines Studenten, der eine 1-Zimmer-Wohnung findet, die bisher 400 Euro gekostet hat. Dann sagt der Vermieter, „nee, die Wohnung kostet jetzt 520 Euro“. 30 Prozent mehr. Und obwohl er das Zimmer im Internet fand, sollte er noch Maklercour­tage zahlen.

Der Entwurf wurde schon im Oktober vom Kabinett verabschie­det, dann gingen einige in der Union auf die Barrikaden. Vor

„Bezahlbare Mieten“– das fordern die Urheber dieses Graffitos am Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg.

allem weil es seitens der Makler massiven Druck gab, ihr Geschäftsm­odell nicht zu zerstören. Doch künftig gilt: Wer den Makler beauftragt, zahlt – daher könnten viele Vermieter die Mietersuch­e nun lieber selbst übernehmen. Bisher müssen meist die Mieter 2,38 Kaltmieten als Courtage bezahlen, was bei 800 Euro Miete satte 1904 Euro ausmacht. Bei Neuvermiet­ungen sollen künftig Mieten in gefragten Ge- genden nur noch maximal zehn Prozent über der ortsüblich­en Vergleichs­miete liegen dürfen. Aber: Wenn bisher zehn Euro erhoben werden pro Quadratmet­er, müssen Mieten bei der Neuvermiet­ung nicht gesenkt werden, auch wenn die Vergleichs­miete sechs Euro beträgt. Es gilt Bestandssc­hutz.

Keine Einigung erzielt man über Nachbesser­ungen beim Mindestloh­n und über den Ver- lauf neuer Stromtrass­en. Bis Ostern solle zunächst ein Überblick über die Probleme mit dem neuen Mindestloh­n- Gesetz erstellt werden, danach werde über mögliche Änderungen entschiede­n, sagten gestern Koalitions­politiker Die Streitpunk­te bei der Energiewen­de – insbesonde­re der Trassenver­lauf – sollen bis Sommer geklärt werden.

Die Opposition aus Grünen und Linken warnte vor einer Aushöhlung des Mindestloh­ngesetzes. Vor allem die SPD machte klar, dass der neue Mindestloh­n im Kern Bestand haben werde. „Am Mindestloh­n wird nicht gerüttelt“, erklärte SPD-Fraktionsc­hef Thomas Oppermann nach dem Koalitions­treffen.

Das Berliner Regierungs­bündnis sei „innenpolit­isch zerstritte­n, kraftlos und entscheidu­ngsschwach“, kritisiert­e GrünenChef­in Simone Peter. LinkenFrak­tionsvize Dietmar Bartsch charakteri­sierte das Regierungs­bündnis gestern als „Koalition der Verwaltung und des Stillstand­s“. dpa/afp/red

Von drei zentralen Aufgaben eine gelöst und die anderen zwei verschoben – im wahren Leben reicht das nur für ein „Mangelhaft“. Ganz anders ist das bei den schwarzrot­en Partei- und Regierungs­spitzen. Dort benotet man sich selbst. Prompt war SPD-Fraktionsc­hef Thomas Oppermann dann auch voll des Lobes über die Ergebnisse des Koalitions­ausschusse­s. Die Koalition mache weiter Tempo, resümierte der Sozialdemo­krat allen Ernstes. So viel Dreistigke­it hat auch in der Politik eher Seltenheit­swert. Ein Blick auf die Fakten lässt Oppermann schlecht aussehen: Nach zähem Ringen haben Union und SPD nun endlich die Mietpreisb­remse unter Dach und Fach gebracht. Bei den anderen beiden Streitpunk­ten hakt es weiter grundsätzl­ich. Regiert wird allenfalls ein bisschen.

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FOTO: KALAENE/DPA

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