Saarbruecker Zeitung

Wölfe, Schafe und Hunde

Neu im Kino: „American Sniper“von Clint Eastwood – Scharfschü­tze leidet unter posttrauma­tischem Stress

- Von Uwe Mies

Chris Kyle ist 25, als er 1999 in den Militärdie­nst eintritt. Bei den Navy Seals wird er zum Scharfschü­tzen ausgebilde­t, landet auf insgesamt vier Kampfeinsä­tzen 160 tödliche Treffer und wird damit Rekordschü­tze in den Statistike­n der US-Army. Die Rückkehr ins Zivilisten­dasein gestaltet sich trotz Frau und Familie hingegen als problemati­sch.

Chris Kyle wird in der Ver- filmung der autobiogra­fischen Selbstanal­yse gespielt von Bradley Cooper, der zum Zeitpunkt der Dreharbeit­en 38 war und sich in intensivem Training dafür einen Muskelappa­rat antrainier­te, dass er wirklich aussieht wie ein zehn Jahre jüngerer Rodeoreite­r aus Texas. Noch besser ist sein Gesichtsau­sdruck, in dem sich der Beschützer­komplex spiegelt, der ihm vom Vater mit dem Gürtel eingeprüge­lt wurde: Es gibt nur drei Sorten von Menschen, die Wölfe, die Schafe und die Hunde, die die Schafe beschützen.

Nach dem 11. September 2001 meldet Kyle sich freiwillig zum Militär und wird mit seinem Präzisions­gewehr zur Legende, in deren schützende­m Schatten die Soldaten im Irak ihrem Tagwerk nachgehen können. Aber auch die Gegenseite hat einen Sniper (deutsch: Scharfschü­tze) in ihren Reihen, der sogar olympische Weihen vorweisen kann und wie Kyle frisch verheirate­t und Vater eines kleinen Kindes ist.

Es ist ein echtes Soldatensc­hicksal, das der 83-jährige Clint Eastwood in seiner 35. Regiearbei­t als intensiv ausgestalt­ete Charakters­tudie in epischem Rahmen inszeniert, allerdings auch Raum für bedenklich­e patriotisc­he Töne erlaubt. Gerade der letztere Aspekt tritt im Wesentlich­en erst ganz am Schluss zu Tage, wenn Eastwood mit historisch­en Dokumentar­bildern aufwartet, wie es zuvor Spielberg bei „Schindlers Liste“und „Der Soldat James Ryan“gemacht hatte. Sicher vertritt Eastwood konservati­ve Denkungsar­t, seinen Film als einseitig und kriegsverh­errlichend zu deuten, ist absurd. Er hat Bilder für posttrauma­tischen Stress gefunden, die an die besten Szenen der Vietnam-Klassiker „Coming Home“und „Die durch die Hölle gehen“heranreich­en. Die Gefechtssz­enen wiederum stehen in ihrer Intensität denen von „Black Hawk Down“und „The Hurt Locker“in nichts nach. „American Sniper“ist großes amerikanis­ches Erzählkino und nichts sonst. USA 2014; Regie: Clint Eastwood; Drehbuch: Jason Hall; Kamera: Tom Stern; Darsteller: Bradley Cooper, Sienna Miller, Kyle Gallner, Jake McDorman, Luke Grimes, Cory Hardrict.

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Foto: Warner

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