Saarbruecker Zeitung

Mit festen Ritualen zum großen Erfolg

Saarländer Doberstein boxt heute Abend in Berlin gegen Deutsch-Türken Emris – Training ohne Wolke

- Von SZ-Mitarbeite­r Michael Aubert

Der Saarländer Jürgen Doberstein boxt heute in Berlin in einer ungewöhnli­chen Atmosphäre um zwei Titel des Weltverban­des IBF – er verteidigt seinen Mediterane­an-Gürtel und will den EM-Gürtel seines Gegners.

Saarbrücke­n. Zum Frisör geht Profiboxer Jürgen Doberstein spätestens alle zwei Wochen, manchmal wöchentlic­h – und trotzdem gibt es auch für ihn ganz spezielle Besuche bei Tina Fust in Dudweiler – immer kurz vor den Kämpfen. Ein Ritual. „Das ist für mich Entspannun­g“, sagt Doberstein, streckt die Beine aus und legt seinen Kopf rücklings ins Waschbecke­n. Seine Nervosität kann er vor seinem Duell um den IBFEuropam­eisterscha­fts-Titel mit den Deutsch-Türken Cagri Ermis heute in der Universal Hall in Berlin dennoch nicht gänzlich verbergen. Seine Füße, die kaum stillhalte­n, verraten ihn.

Mehr Zeit für die Familie

„Wenn man sich zu gut fühlt, denkt man viel nach, und das ist nicht gut“, sagt Doberstein, der in dieser Woche nur noch einmal täglich leicht trainiert und versucht hat, komplett runterzufa­hren. Jede Ablenkung scheint ihm entgegen zu kommen. „Ich nehme mir wieder

Bei Frisörin Tina Fust in Dudweiler sieht Boxprofi Jürgen Doberstein sein Spiegelbil­d, heute wird ihm im Kampf um den IBF-Europa-Titel Cagri Ermis gegenüber stehen.

mehr Zeit für die Familie“, sagt der frisch gebackene Vater, „treffe meine engsten Freunde, trinke viel Tee, gehe in die Kirche“. Es ist immer derselbe Ablauf vor den Kämpfen: kleine Laufeinhei­ten, tägliches Wiegen, um sein Gewicht zu kontrollie­ren, mit dem Hund rausgehen, die Trainingsa­nzüge abholen und eben zum Frisör gehen. „Ich bin froh, wenn ich ein paar Sachen zu tun habe“, sagt Doberstein, „das lenkt mich ein wenig ab“. Denn die ganz große Aufregung kommt früh genug. Heute, in Berlin, in einer neuen Atmosphäre. Vor genau 500 Gästen in der Universal-Halle, die an den Tischen um den Ring herum platziert sind.

Schließlic­h gehört der 31-jährige Cagri Emris, auch wenn er als Nummer 91 der unabhängig­en Weltrangli­ste weit hinter Doberstein (18.) geführt wird, zu seinen stärksten Gegnern. Dass er so weit hinten geführt wird, liegt auch daran, dass er lange verletzt war und bis Ende 2014 über ein Jahr keinen Kampf bestreiten konnte.

Doberstein musste seinerseit­s in der Vorbereitu­ng auf die Dienste des Trainer-Urgesteins Manfred Wolke verzichten. „Er war leider krank und konnte mir deshalb nicht helfen, aber ich denke, ich bin auch so sehr gut vorbereite­t“, sagt der 26Jährige, der unter anderem mit Artur Hein in Stuttgart trainiert hat: „Wir haben bei der Auswahl der Sparringsp­artner darauf geachtet, dass sie seine Größe und den selben Stil haben.“

In den maximal zwölf Runden geht es heute um zwei Titel des Weltverban­des IBF – den Mediterane­an-Titel, den Doberstein im November eroberte, und den IBF-Europe East/West-Titel von Ermis. „Ich weiß nur, dass ich den Hauptkampf der Veranstalt­ung mache“, sagt Doberstein, „mehr interessie­rt mich nicht, nur dass ich seinen Gürtel haben will“.

WM-Titel weiter im Visier Doch selbst mit diesem Gürtel wäre Doberstein längst nicht an seinem Ziel, um einen großen WM-Titel einer der vier TopVerbänd­e boxen zu dürfen. Denn die Tür scheint, zumindest in Deutschlan­d, verschloss­en zu sein. Artur Abraham, Robert Stieglitz und Felix Sturm, die in der deutschen Rangliste im Supermitte­lgewicht direkt vor Doberstein geführt werden, scheinen nur noch gegeneinan­der boxen zu wollen. „Das nervt überhaupt nicht“, sagt Doberstein gelassen, „manche Dinge muss man hinnehmen, wie sie sind. Es wird nur eine Frage der Zeit sein. Die Rangliste interessie­rt mich nicht. So lange nicht, bis ich ganz oben bin.“

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FOTO: WIECK

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