Hartz-IV-Fehler brachten Fünf-Millionen-Schock
Rekord-Hoch auf Job-Markt lässt miesen Start der Reform fast vergessen
Nürnberg. Schon der Januar sorgte für einen Schock, aber erst der Februar machte die ganze Tragweite des Dilemmas sichtbar. Vor genau zehn Jahren, zwei Monate nach dem Start der so umstrittenen Hartz-IV-Reform, war der Alptraum der damaligen rot-grünen Bundesregierung wahr geworden: Die schwache Konjunktur, der harte Winter, vor allem aber die schlecht vorbereitete Arbeitsmarktreform hatte die Zahl der Arbeitslosen im Februar 2005 zum zweiten Mal in Folge auf ein neues Nachkriegshoch steigen lassen.
5,216 Millionen Arbeitslose meldete die Bundesagentur für Arbeit (BA) am 1. März 2005. Im frostigen Februar waren damit gut eine halbe Million mehr Menschen ohne Arbeit gewesen als noch im Jahr davor. Noch am selben Tag sandte der auf Staatsbesuch im Emirat Katar weilende Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) Durchhalteparolen nach Berlin – der Niedergang seiner Regierung war dennoch nicht mehr aufzuhalten. Schröder, der bis Ende 2005 die Arbeitslosigkeit in Deutschland halbiert haben wollte, verlor an Glaubwürdigkeit. Nach der krachenden Niederlage der SPD bei der Landtagswahl in NRW sorgte der Kanzler durch eine bewusst verlorene Vertrauensfrage im Bundestag für Neuwahlen, die ihn sein Amt kosteten.
Zwar versuchte Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD), das ArbeitsmarktDesaster noch als TransparenzOffensive umzudeuten. Schließlich würde mit der Hartz-IV-Reform, die die Trennung zwischen Arbeitslosenhilfe und Arbeitslo- sengeld beendete, endlich die jahrelang in der Sozialhilfe versteckte Arbeitslosigkeit offengelegt. Der Sprung über die FünfMillionen-Marke ging aber vor allem auf das Konto der schlampigen Vorbereitung der Hartz-IVReform zurück. Denn wäre es nach der Bundesagentur-Führung gegangen, die Reform wäre erst ein Jahr später umgesetzt worden.
Inzwischen räumen Experten wie BA-Vorstand Heinrich Alt etliche handwerkliche Fehler ein. „Wir sind seinerzeit aufgrund des Zeitdrucks mit einer zusammengeflickten, ungetesteten Leistungssoftware gestartet und wir haben Teams aus Kollegen gebil- det, die aus völlig unterschiedlichen Verwaltungskulturen kamen und noch nie zusammengearbeitet haben.“Schließlich glaubte man, dass die Jobcenter nur die wirklich erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger als arbeitslos einstufen. Tatsächlich wurden erstmal alle von den Kommunen gemeldeten Sozialhilfeempfänger als arbeitslos übernommen. Und die Kommunen hatten ein finanzielles Interesse daran, dass Sozialhilfeempfänger möglichst schnell in das vom Bund finanzierte Hartz-IV-System wechseln. Über Nacht flossen 400 000 zusätzliche Arbeitslose in die BA-Statistik ein.
Auch am Jahresanfang 2006 stieg die Arbeitslosigkeit nochmal über die Fünf-MillionenMarke – danach sorgte aber der einsetzende Wirtschaftsaufschwung für stetig sinkende Erwerbslosenzahlen. Mit aktuell 3,032 Millionen (Stand Januar 2015) ist die Rekord-Arbeitslosigkeit von 2005 inzwischen längst Geschichte. Hartz-Bezieher haben von dem Jobaufschwung aber bis heute längst nicht so stark profitiert wie gut ausgebildete Kurzzeit-Arbeitslose. Zwar war bis 2009 die Zahl der HartzIV-Arbeitslosen etwas stärker gesunken; seitdem pendelt sie aber um die Zwei-Millionen-Marke.