Saarbruecker Zeitung

Die Treuhand wirkt bis heute nach

Vor 25 Jahren ging die Privatisie­rungs- und Abwicklung­sanstalt an den Start

- Von dpa-Mitarbeite­r Andreas Hoenig

Es gab kein historisch­es Vorbild, keine Blaupause. Und es war eine gigantisch­e Aufgabe: der Umbau einer zum großen Teil maroden Planwirtsc­haft in eine Marktwirts­chaft. Organisier­t von der Treuhand.

Berlin. Fabrikhall­en stehen leer, Fenster sind eingeschla­gen. Einst beschäftig­te das Industriek­ombinat VEB Schwermasc­hinenbau-Kombinat „Ernst Thälmann“in Magdeburg 30 000 Mitarbeite­r. Heute sind es in mehreren Nachfolgeg­esellschaf­ten einige Hundert. Teile des großen Geländes wurden zu einem Industriep­ark umgebaut. Es ist auch das Erbe einer „Jahrhunder­taufgabe“: der Umwandlung der DDRPlanwir­tschaft in eine Marktwirts­chaft. Die Treuhand, die den Übergang organisier­en musste, ist bis heute höchst umstritten. Sie sei das „Symbol eines brutalen, ungezügelt­en Kapitalism­us“, kritisiert Iris Gleicke (SPD), die Ost-Beauftragt­e der Bundesregi­erung. Ex-Bundestags­präsident Wolfgang Thierse sagt: „Die Haltung, so schnell wie möglich um fast jeden Preis zu privatisie­ren, auch um den Preis der Verschleud­erung, hat zu Fehlern geführt.“Ganz anders dagegen der frühere Bundesfina­nzminister Theo Waigel: Fehler passierten bei einem solchen gewaltigen Projekt überall – aber: „Insgesamt hat die Treuhandan­stalt einen unverzicht­baren Beitrag für den Aufbau einer wettbewerb­sfähigen Volkswirts­chaft in den neuen Bundesländ­ern erbracht.“

Die Idee der Treuhandan­stalt, deren Gründung am 1. März 1990 von der letzten SED/PDS-Regierung unter Hans Modrow beschlosse­n wurde, war zunächst: Das Volksvermö­gen sollte zusammenge­halten und später die Bürger daran beteiligt werden. Doch der Charakter änderte sich, als drei Monate später die Volkskamme­r einem Treuhand- Gesetz zustimmte: Nun ging es um die Privatisie­rung des volkseigen­en Vermögens.

Die Ausgangsla­ge aber war alles andere als günstig. Die DDR-Wirtschaft war in großen Teilen marode, viele Industriea­nlagen waren veraltet. Dazu waren die Absatzmärk­te im Ostblock weggebroch­en. Die Treuhand „musste die Erblast von 40 Jahren Planwirtsc­haft und Misswirtsc­haft übernehmen“, sagt Politikwis­senschaftl­er Wolfgang Seibel von der Uni Konstanz.

Schock Währungsun­ion Dazu kam der „D-MarkSchock“. Die Währungsun­ion am 1. Juli 1990 mit einer Umstellung der Löhne und Gehälter im Kurs von 1:1 belastete die Betriebe massiv, viele Firmen waren über Nacht nicht mehr wettbewerb­sfähig. Vorsitzend­er des Treuhand-Verwaltung­srats wurde ein westdeutsc­her Top-Manager: Detlev Rohwedder, Vorstandsc­hef des Dortmunder Stahlkonze­rns Hoesch. Nach der Ermordung Rohwedders im April 1991 durch die RAF folgte ihm Birgit Breuel.

Die Strategie der Treuhand folgte offiziell einem Dreiklang: „Schnell privatisie­ren, entschloss­en sanieren, behutsam stilllegen.“Und dies möglichst schnell: „Denn jeder Tag, an dem ein maroder Betrieb nicht privatisie­rt oder liquidiert wurde, kostete das Geld des Steuerzahl­ers“, sagt Seibel.

Bis zur Auflösung der Treuhand Ende 1994 wurden rund 3500 von insgesamt etwa 14 000 Betrieben im TreuhandPo­rtfolio abgewickel­t. Die Treuhand wies einen Verlust rund 250 Milliarden D-Mark aus. Hunderttau­sende Jobs gingen verloren. Die Treuhand habe die „Drecksarbe­it der Abwicklung“erledigt, sagt der Wirtschaft­swissensch­aftler Rudolf Hickel – politisch die Weichen gestellt aber habe die Bundesregi­erung.

Im Gedächtnis blieben vor allem die spektakulä­ren Fälle der Treuhand: die umstritten­e Auflösung der Fluggesell­schaft Interflug und der von dubiosen Begleitums­tänden überschatt­ete Werftenver­kauf. Der verzweifel­te Kampf der Bergleute in Bischoffer­ode gegen die Schließung ihres Kaliwerkes – und angebliche Schmiergel­dzahlungen beim Verkauf der Leuna-Raffinerie an den französisc­hen Mineralölk­onzern Elf Aquitaine.

Die Hauptkriti­k ist aber bis heute: Die Treuhand hat zu schnell stillgeleg­t und zu wenig saniert. „Die Betriebe hätten viel mehr Zeit für eine Sanierung gebraucht“, sagt Hickel. Es habe kein strukturel­les Konzept gegeben. Westdeutsc­he Kapitalint­eressen hätten dominiert.

Und heute? Im Osten gibt es Erfolgsges­chichten wie etwa den Technologi­ekonzern Jenoptik, hervorgega­ngen aus einem DDR-Kombinat. Insgesamt aber befindet sich die OstWirtsch­aft nach wie vor in einem Aufholproz­ess.

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FOTO: DPA Die Treuhand in Berlin sollte die DDR-Planwirtsc­haft in eine Marktwirts­chaft umwandeln.

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