Saarbruecker Zeitung

Saar-Uni will helfen, Amokläufe zu verhindern

Christoph Paulus analysiert Fakten zu Gewaltausb­rüchen

- Von SZ-Mitarbeite­r Alexander Stallmann

„Von mir werdet ihr noch hören. Meine Trauer schlägt in Wut um.“– Das sind typische Äußerungen möglicher Amokläufer, sagt der Gewaltfors­cher Christoph Paulus. Wer solche Äußerungen im Internet oder als Kritzelei irgendwo findet, sollte die Polizei informiere­n.

Saarbrücke­n. Trauer, Leere und Unverständ­nis – Amokläufe wie jener 2006 in Emsdetten oder 2009 in Winnenden lassen das Umfeld der Opfer und auch das des Täters ratlos zurück. Wie konnte es so weit kommen? Hätte man es nicht verhindern können? Und wenn ja, wie? „Indem man die Gefährdung etwa nach Drohungen möglicher Täter im Vorfeld richtig einschätzt“, sagt Christoph Paulus, Dozent im Bereich Bildungswi­ssenschaft­en an der Saar-Uni.

Paulus forscht seit Jahren über Aggression und extreme Gewalt. Zurzeit befasst er sich mit Amokläufen. Ziel seiner Forschung ist es, diese Gewaltexze­sse verhindern zu können. Paulus hat rund 50 Amokläufe, vor allem aus Europa und den USA, ausgewerte­t. Er hat psychologi­sche Gutachten, Gerichtsgu­tachten, Abschiedsb­riefe und Aussagen aus dem Täterumfel­d gewälzt. Dabei analysiert­e er, ob es Merkmale gibt, die bei allen oder vielen Tätern gleich sind. Anhand dieser Eigenschaf­ten soll das Umfeld besser einschätze­n können, ob von bestimmten Leuten eine Gefahr ausgeht.

Charakteri­stisch für jugendlich­e Amokläufer sind: eine narzisstis­che oder paranoide Persönlich­keitsstöru­ng, der Zugang zu Waffen und ein gesteigert­es Interesse an Gewalt. Diese drei Eigenschaf­ten treffen auf alle Täter zu, deren Fälle Paulus erforscht hat: „Es gibt bei Amokläufer­n bestimmte Auffälligk­eiten. Einzelne dieser Merkmale kommen bei vielen Leuten vor. Aber wenn sie in Kombinatio­n auftreten, sollte man es ernst nehmen. In allen Phasen vor dem Amoklauf kann die Spirale unterbroch­en werden, entscheide­nd ist, das Gefährdung­spotenzial zu erkennen.“Aber wie können Saarbrücke­r die Forschungs­ergebnisse in die Praxis umsetzen?

Zum Beispiel sollten sie die Ankündigun­gen von möglichen Amokläufer­n ernst nehmen. Laut Paulus seien Äußerungen wie „Von mir werdet ihr noch hören. Meine Trauer schlägt in Wut um“typisch. Wer solche Äußerungen im Internet oder als Kritzelei irgendwo findet, sollte die Polizei informiere­n. Zudem gibt es im Saarland seit 2009 das Landesinst­itut für präventive­s Handeln. Mitarbeite­r des Instituts haben bis heute 85 Krisenteam­s an Schulen ausgebilde­t. Diese Teams bestehen aus Lehrern und teilweise auch Sozialpäda­gogen. Mario Schu, Institutsr­eferent vom Landesinst­itut für präventive­s Handeln, erklärt: „Die Teilnehmer erfahren unter anderem, was man konkret tun kann, um die Wahrschein­lichkeit zu erhöhen, dass Mitschüler, die von einer vielleicht bevorstehe­nden Gewalttat wissen, dies auch weitergebe­n.“

Neben den genannten Merkmalen von Amokläufer­n hat Paulus viele weitere Faktoren untersucht – auch den Einfluss von Gewaltspie­len am Computer. Aber nur 13 Prozent der jugendlich­en Amokläufer haben solche Computersp­iele gespielt. Und Paulus sagt: „Die Täter haben allesamt ein gesteigert­es Interesse an Gewalt. Einige spielen deshalb Spiele mit Gewalt-Inhalten. Der Hang zur Gewalt ist aber zuerst da, nicht umgekehrt.“Zudem gab es auch schon zahlreiche Amokläufe, bevor es Computersp­iele gab. Ein weiteres Thema ist Mobbing. Aber Paulus hat festgestel­lt: Amokläufer sind in der Regel keine Mobbing- Opfer. Der Anteil von Amokläufer­n, die gemobbt wurden, liege unter zehn Prozent. Die Täter seien zwar häufig Einzelgäng­er, sie würden sich aber selbst isolieren und nicht von der Gruppe ausgeschlo­ssen.

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