„Die Politik war sein zweites Leben“
Günter Sahner – SZ-Serie „Lebenswege“, Teil 268
Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörigen und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorbener vor. Heute: Günter Sahner.
Wiebelskirchen. Günter Sahner, Jahrgang 1927, wuchs als Einzelkind in Wiebelskirchen auf. Sein Vater Karl Sahner war Bergmann, seine Mutter Lina arbeitete für das Rote Kreuz. Sie starb früh. Günter besuchte die Grundschule, absolvierte dann von 1941 bis 1943 eine MaschinenschlosserLehre, die er mit der Gesellenprüfung abschloss.
1944 wurde er mit 17 zur Wehrmacht eingezogen, war Soldat in einer Fallschirmjägereinheit und geriet 1945 in Holland in Kriegsgefangenschaft, aus der er noch im selben Jahr entlassen wurde. Bis 1949 arbeitete er dann als Maschinenschlosser bei der Bahn in Neunkirchen. „Er lebte allein bei Verwandten. Sein Vater lebte irgendwo in Norddeutschland. Viel mehr weiß ich nicht. Er hat nie viel über seine Jugend erzählt“, so Ehefrau Elfriede.
Sie hatte ihren späteren Mann 1949 bei einer Kirmesfeier in Neunkirchen kennen gelernt: „Ich war 19 Jahre alt. Er gefiel mir. Wir haben am 27. Mai 1950 geheiratet. Er war evangelisch. Wir heirateten katholisch. In der Marienkirche in Neunkirchen. Wir zogen in das Haus seiner Eltern in Wiebelskirchen in eine Wohnung. Und er wechselte auch seinen Arbeitgeber und die Arbeitszeiten. Er arbeitete für Saarberg, fuhr auf der Grube Kohlwald im Schichtdienst eine Rangierlok.“
1951 wurde Tochter Karin, und 1952 Tochter Ute geboren, die bei unserem Gespräch bei uns sitzt und sagt: „Es war nicht leicht damals. Unsere Mutter, die eine Ausbildung als Maschinenstrickerin absolviert hatte, verdiente als Zeitungsausträgerin was dazu.“Sie nickt, sagt: „Ich kassierte die Beiträge für die Hausratsversicherungen in Wiebelskirchen. Man musste dazu verdienen. Sonst kam man ja nicht durch.“
Ehemann Günter war schon als Lehrling in die SPD eingetreten. Er war Mitglied in der Industriegewerkschaft IGBCE, Mitglied bei der Arbeiterwohlfahrt, im Deutschen Roten Kreuz. Prägend war für ihn sein politisches Engagement im Untergrund, als das Saarland unter französischer Regierung stand. Er war Mitglied in zwölf Vereinen. Sie sagt: „Er war vielseitig interessiert, Gartenarbeit liebte er. Aber die Politik interessierte ihn besonders. Das war neben der Familie sein zweites Leben. Er war für soziale Gerech- tigkeit. Und bald wurde man auch in der Partei auf ihn aufmerksam. Er war ein Kontaktmensch, sehr hilfsbereit. Ein Christ aus Überzeugung, aber kein Kirchgänger. Christliche Werte, wie Hilfsbereitschaft, Respekt vor dem Nächsten – das war ihm wichtig. Und er konnte andere auch von seiner Einstellung überzeugen, zeigte Kante.“
Vor diesem Hintergrund und so viel Engagement in Partei und Vereinen konnte es nicht ausbleiben, das er bald in der Politik Karriere machte. Es gibt in einem Buch der Saar-SPD eine Liste über die Ämter und Aufgaben, die der Landespolitiker Günter Sahner übernahm und erfüllte: Seit 1956 war er für die SPD Mitglied im Gemeinderat Wiebelskirchen und gleichzeitig SPD- Ortsvereinsvorsitzender. Von 1964 an war er erster Beigeordneter und von 1968 bis 1971 Bürgermeister, von 1971 bis 1973 Amtsvorsteher in Wiebelskirchen, 1974 bis 1976 Mitglied der SPD-Stadtratsfraktion in Neunkirchen und von 1965 bis 1985 SPD-Abgeordneter im SaarLandtag. Er war Vorsitzender des Petitionsausschusses im Landtag: Um sich genau zu informieren, besuchte er auch die Jugendhaftanstalt in Ottweiler und die Haftanstalt Lerchesflur in Saarbrücken. Er war auch Mitglied im Wiebelskirchener Karneval- und Unterhaltungsverein Blau- Gelb und hatte auch lange den Vorsitz im Obst- und Gartenbauverein inne. Frage: „Bei so viel Engagement – bleibt da noch Zeit für die Familie?“Tochter Ute: „Wir fuhren regelmäßig in den Sommerferien in den Urlaub. Zuerst im VW-Käfer, mit vier Personen und dem Zelt auf dem Dach ging es nach Italien, an den Gardasee zum Beispiel, oder nach Spanien. Er war streng, aber verständnisvoll, aufgeschlossen und immer hilfsbereit. Es gab klare Regeln für uns. Er wollte immer wissen, was wir in der Schule machten. Wir Kinder wuchsen evangelisch auf. Wir gingen in die Kirche. Familienfeste wurden groß gefeiert. Er war ein hilfsbereiter aufgeschlossener Vater.“1975 und 1981 wurde der SPDLandtagsabgeordnete Großvater. Tochter Karin gebar Enkeltochter Nicole und Tochter Ute Enkeltochter Diana. Sie sagt: „Er war ein richtig stolzer Opa. Als Diana schwanger war und dann am 12. Mai 2014 sein Urenkel Max geboren wurde, war er glücklich.“Ehefrau Elfriede erzählt nachdenklich: „So war er, bis das Ende kam. Seit April 2014 litt er immer öfter an Atemnot. Er war zur Untersuchung in den Uni-Kliniken in Homburg und Heidelberg. Man stellte einen Tumor am Rippenfell fest. Die Chemotherapie vertrug er nicht. Er war zu Hause. Es war morgens, am 11. Dezember. Ich sagte zu ihm: ,Ich bin bei Dir.‘ Er atmete nicht mehr. Er war tot.“
Auf der Seite „Momente“stellt die Saarbrücker Zeitung im Wechsel Kirchen im Saarland und Lebenswege Verstorbener vor.
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