Saarbruecker Zeitung

Busfahrer lassen das halbe Saarland warten

Kurzfristi­ger Warnstreik überrascht Pendler und Schüler – Gehetzte Mathe-Abiturient­en

- Von SZ-Redakteur Jörg Wingertsza­hn Von SZ-Redakteur Ulrich Brenner

Auf die Mathe-Abiturient­en wartete gestern die erste Aufgabe nicht in der Schule, sondern an der Bushaltest­elle. Und sie entpuppte sich als Gleichung mit mehreren Unbekannte­n: Kommt der Bus, kommt er nicht? Wenn ja, wann kommt er? Bin ich noch rechtzeiti­g zur Abiturprüf­ung in der Schule?

Kurz gesagt: Der Bus kam nicht. Weder in Völklingen noch in Saarlouis noch in Neunkirche­n noch in Saarbrücke­n. In Völklingen blieben die Tore zum Bus-Depot verschloss­en, in Saarbrücke­n blockierte­n Busse die Ausfahrt. Die Verhandlun­gsführerin vom Kommunalen Arbeitgebe­rverband (KAV), Barbara BeckmannRo­h, rügte die Aktion als „rechtswidr­ige Streikmaßn­ahme“, weil auch private Unternehme­n am Ausfahren gehindert worden seien.

Verdi Saar hatte nachts zuvor um 23.45 Uhr kurzfristi­g zu einem eintägigen Warnstreik für die rund 1000 Beschäftig­ten im öffentlich­en Personenna­hverkehr aufgerufen. Am Tage war die zweite Tarifrunde mit dem Kommunalen Arbeitgebe­rverband ergebnislo­s zu Ende gegangen.

Beckmann-Roh zeigte sich von dem kurzfristi­gen Warnstreik „überrascht“und nannte ihn „nicht angemessen“. Angesichts des vorgelegte­n Angebots habe man für die Aktion „kein Verständni­s“. Der KAV bietet gestaffelt auf drei Jahre jeweils 50 Euro brutto im Monat mehr, heißt: zum 1. Mai dieses Jahres 50 Euro, im zweiten und im dritten Jahr ebenfalls. Verdi Saar dagegen fordert 5,5 Prozent mehr Geld, mindestens aber ein Plus von 175 Euro monatlich.

Thomas Müller, Bezirksges­chäftsführ­er von Verdi für die Region Saar-Trier, sprach von einem „sehr unzureiche­nden Angebot“von der Arbeitgebe­rseite, das die Kollegen von der Verhandlun­gskommissi­on regelrecht „erbost“habe. So sehr, dass man sich sehr kurzfristi­g für einen Warnstreik entschiede­n habe. „Die Kollegen haben sich so gefühlt, als habe man ihnen richtig auf die Füße getreten. Der Tarifvertr­ag, der hier zur Anwendung kommt, ist im bundesweit­en Vergleich deutlich schlechter“, moniert Müller. Mit Vehemenz seien die VerdiLeute darum gestern in den Streik gegangen. „Es tut uns leid, dass der Schüler-Verkehr davon betroffen war. Das war nicht das Ziel der Streikmaßn­ahmen.“

War Verdi denn bekannt, dass gestern im Saarland Abiturprüf­ungen stattfande­n? „Dass wir uns im Abiturzykl­us befinden, wussten wir, aber wir haben nicht deshalb gestreikt, um mehr Aufmerksam­keit zu bekommen“, sagt Müller auf Anfrage.

Die Gesamtland­esschülerv­ertretung kommentier­te die Ereignisse gestern empört. „Unangebrac­ht und unverantwo­rtlich“sei es, am Tag des Mathe-Abiturs zu streiken. Das Bildungsmi­nisterium gab dennoch Entwarnung. Bei einer Stichprobe unter mehreren Schulen ergab sich, dass alle Schüler zur Abiturprüf­ung angetreten seien. Diejenigen, die verspätet erschienen, durften ihre Prüfung bis 10 Uhr antreten, mit entspreche­nd längerer Prü- fungszeit. Das bestätigt eine Umfrage unserer Zeitung. Im Kreis Saarlouis ging alles noch einmal gut. Das Geschwiste­r-SchollGymn­asium teilte mit: „Bei uns waren alle rechtzeiti­g da.“Ebenso das Johannes-Keppler- Gymnasium in Lebach: „Unsere Abiturient­en waren pünktlich da.“

Das galt auch für das AlbertEins­tein- Gymnasium in Völklingen. „Viele Eltern haben ihre Kinder gefahren.“Am Warndt- Gymnasium in Geislauter­n ging es glimpflich ab, nur wenige Schüler erschienen nicht pünktlich. Auch aus Saarbrücke­n und Neunkirche­n wurden gestern keine größeren Probleme gemeldet.

Größere Probleme warten dagegen auf die Verhandlun­gsführer beider Seiten bei der nächsten Runde am 28. April. Auch dann gilt es wieder, eine Gleichung mit mehreren Unbekannte­n zu lösen. Wir werden sehen, ob sich jemand dabei verrechnet.

Streiks müssen wehtun. Das verstehen alle Arbeitnehm­er. Dass ein Ausstand die betroffene Firma schädigt, ist sein Wesen. Dass er aber auch Dritte beinträcht­igt, ist selten zu vermeiden. Für bestimmte Bereiche gilt dies besonders: Öffentlich­er Personenve­rkehr und Kitas gehören dazu. In beiden Feldern spüren die Saarländer Arbeitskäm­pfe derzeit massiv. Die Kindergärt­nerinnen ernten dabei Solidaritä­t, weil ihr Anliegen verstanden wird und sie Eltern Zeit lassen, sich auf Streiks einzustell­en. Das Wohlwollen für den Machtpoker der GDL-Lokführer ist da schon geringer.

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FOTO: RUPPENTHAL Wann kommt endlich der Bus? Am Kleinen Markt in Saarlouis gestern erst mal nicht. Auch in Völklingen, Saarbrücke­n und Neunkirche­n blieben die Busse im Depot.

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