Saarbruecker Zeitung

Das Sündenregi­ster der Ex-Innenminst­er im Land

Spar-Gutachter: Aufsicht hat bei Kommunen „alle Augen zugedrückt“

- Von SZ-Redakteur Daniel Kirch

Saarbrücke­n. Als Martin Junkernhei­nrich dem Kabinett sein Gutachten zur Finanznot der SaarKommun­en präsentier­te, durften sich gleich mehrere Zuhörer angesproch­en fühlen. In der Ministerru­nde sitzen neben Amtsinhabe­r Klaus Bouillon (CDU) nämlich noch drei Ex-Innenminis­ter, die für die Kommunen zuständig waren, darunter Annegret KrampKarre­nbauer (CDU). Ohne sie und die anderen beim Namen zu nennen, gibt Junkernhei­nrich ihnen in seinem Gutachten, das nun in voller Länge vorliegt, indirekt eine Mitschuld an der exorbitant­en Verschuldu­ng der Kommunen. Teile des Papiers lesen sich gar wie ein Sündenregi­ster der ExMinister. „Man hat alle Augen zugedrückt“, sagt Junkernhei­nrich.

Konkret bemängelt er etwa, dass die hochversch­uldeten Kommunen von 2003 bis 2010 keine Haushaltss­anierungsp­läne mehr aufstellen mussten. „Folglich erhöhten sich die Kredite zur Liquidität­ssicherung in diesem Zeitraum von 790 auf 1626 Euro je Einwohner im Saarland“, so Junkernhei­nrich. Es ist nicht der einzige Fehler, den Junkernhei­nrich in jenen Jahren sieht, in denen das Innenresso­rt von Kramp-Karren- bauer (2001-2007) und dem heutigen CDU-Fraktionsc­hef Klaus Meiser (1999-2001 und 20072009) geführt wurde. Der Gutachter bemängelt beispielsw­eise, dass sich Kommunen neue Kassenkred­ite ab einer bestimmten Höhe seit 2007 nicht mehr genehmigen lassen müssen. Auch repressive Mittel habe die Kommunalau­fsicht bei den Haushalten nicht eingesetzt. Generell sieht Junkernhei­nrich die Kommunalau­fsicht durch ihre Zugehörigk­eit zur Landesverw­altung in einem Zielkonfli­kt, „denn die Landeseben­e ist ein Mitverursa­cher der kommunalen Haushaltsl­age und erhebt sich insofern zum Kontrolleu­r des eigenen Verhaltens“.

Versäumnis­se beklagt Junkernhei­nrich auch bei der Kontrolle durch das Land, ob die Kommunen sparsam mit ihrem Geld umgehen. Dies ist Aufgabe der „überörtlic­hen Prüfung“, die (wie die Kommunalau­fsicht) zum Landesverw­altungsamt in St. Ingbert gehört und nach Junkernhei­nrichs Ansicht eigentlich Teil des Rechnungsh­ofs sein müsste. Seit 2008 können die Prüfer kommunales Handeln nur noch auf Recht und Ordnungsmä­ßigkeit hin kontrol- lieren, aber nicht mehr auf Wirtschaft­lichkeit – es sei denn, eine Kommune will dies. Passiert ist das seither jedoch noch nie. Seit 2002 sind auch keine Jahresberi­chte der Prüfer mehr veröffentl­icht worden.

Für mehr Kontrollen hätte ohnehin das Personal gefehlt: Gab es in den 90er Jahren noch 20 Prüfer, so war es bis Ende 2014 gerade noch einer – und der ist inzwischen im Ruhestand. Wegen des Personalma­ngels wurde 2005/06 die Bauprüfung eingestell­t, 2007 die Sozialprüf­ung – „obwohl beide Bereiche die höchsten finanziell­en Schäden in den Kommunen verursache­n können“, wie der Gutachter schreibt. Nicht jede eingespart­e Stelle sei auf Dauer sinnvoll eingespart, sagt Junkernhei­nrich. Minister Bouillon hat nun eine Aufstockun­g zugesagt.

Das fehlende Personal wurde auch nicht ersetzt durch Aufträge an externe Wirtschaft­sprüfer: Dieses Budget beträgt seit 2010 exakt: null Euro. In professora­le Worte gehüllt, fällt Junkernhei­nrich ein knallharte­s Urteil: „Existenz und Funktionsf­ähigkeit“der Gemeindepr­üfung durch das Land könnten „aufgrund der fehlenden Unabhängig­keit, unzureiche­nder Prüfungsbe­fugnisse und einer unzureiche­nden Personalis­ierung verneint werden“.

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