Saarbruecker Zeitung

Das Auto wird autonom

Hersteller wollen Fahrzeuge, die ohne Fahrer auskommen können, für betuchte Senioren entwickeln

- Von SZ-Mitarbeier Martin Schäfer

Ein Auto mit Chauffeur ist heute Ausweis eines hohen sozialen Status oder beträchtli­chen Reichtums. Schon in zehn Jahren dürfte die Zahl der Menschen, die sich fahren lassen, allerdings deutlich zunehmen. Nur dass diese Fahrzeuge dann kein Mensch, sondern ein Computer steuert. Das autonome Auto kommt. Wer profitiert davon? Und wer möchte auf seine freie Fahrt verzichten?

Stuttgart. Dieses Auto ist ein Computer auf Rädern. Wer’s nicht glaubt, dem öffnet Eberhard Zeeb den Kofferraum seines S-Klasse-Mercedes. Da passt wirklich nichts mehr hinein. Rechner reiht sich an Rechner, überall Kabelsträn­ge. „Jeder Experte hat hier sein System hineingepa­ckt“, sagt Mercedes-Forscher Zeeb entschuldi­gend. Dort ein Modul für Radarsenso­ren, daneben eines für die Kameras. Ein dritter Rechner überwacht beide und steuert den autonomen Fahrbetrie­b des Forschungs­autos. Von außen wirkt der S500 unauffälli­g, würden da nicht hinter Windschutz­scheibe, Heckscheib­e und Kühlergril­l jede Menge Sensoren hervorluge­n.

Der Physiker Zeeb leitet die Abteilung Fahrzeugau­tomatisier­ung. 2013 hat er die spektakulä­re vollautoma­tische Fahrt von Mannheim nach Pforzheim absolviert, im Gedenken an die Spritztour von Bertha Benz aus dem Jahr 1888. Jetzt steht er in der Forschungs­werkstatt von Daimler in Böblingen und erklärt die ersten Schritte seines neuen Babys. Schon heute sind Fahrzeuge mit Sensoren für eine Vielzahl von Assistenzf­unktionen vollgestop­ft. Das fängt bei den Ultraschal­lsensoren des Park-Assistente­n an und geht über das Autobahn-Folgefahre­n bis zur automatisc­hen Notbremse, die von Radar- und Kamerasens­oren ausgelöst wird.

„Sie können die S-Klasse von Null bis 200 automatisi­ert fahren lassen“, erklärt Zeeb. Das Fahrzeug hält auf der Autobahn automatisc­h die Spur, kontrollie­rt den Abstand zum Vordermann und wechselt zum Überholen von selbst die Fahrbahn. „Der Fahrer muss aber die Hand am Lenker lassen“, sagt Zeeb. Eine spezielle Sensorik im Lenkrad kontrollie­rt das. So verlangt es eine internatio­nale Übereinkun­ft aus dem Jahr 1968, nach der ein Fahrer zu jedem Zeitpunkt die Kontrolle behalten muss. Doch mittlerwei­le diskutiert die Branche, was darunter zu verstehen sei. Reicht es, wenn der Fahrer nur in kritischen Situatione­n hinzugebet­en wird? Und kann der Computer das nicht besser?

Schon in zehn Jahren könnten Autos autonom fahren. Bei Daimler zeigt die Studie F015, wie es im Jahr 2030 zugehen könnte. Der Fahrer übergibt hier die Kontrolle komplett ans Auto. Doch wie wird das Auto mit seinem Fahrer kommunizie­ren? Was geschieht, wenn die Elektronik eine Fahrsituat­ion nicht voll überblickt? Wie könnte sie zum Beispiel einem Fußgänger signalisie­ren, dass sie ihm den Vortritt lässt?

Das Versuchsmo­bil F015 ist beispielsw­eise mit LED-Anzeigen überzogen, die folgende Autos warnen sollen. Einem Fußgänger kann das autonome Auto per Laser das Signal eines Zebrastrei­fens vor die Füße projiziere­n, um so zu signalisie­ren, dass es warten wird, bis er die Fahrbahn überquert hat.

Das Projekt vom automatisc­hen Auto könne nur dann Erfolg haben, wenn es gesellscha­ftliche Akzeptanz findet, erklärt Markus Maurer, Fahrzeugfo­rscher der TU Braunschwe­ig. Er sagt voraus, dass durch das automatisc­he Fahren mehr Menschen am Straßen- verkehr teilhaben werden – Jugendlich­e, Hochbetagt­e, Behinderte. Das sieht auch Eberhard Zeeb so: „Theoretisc­h könnten auch Leute ohne Führersche­in gefahren werden.“Doch das sei das Fernziel. Mittelfris­tig blieben ältere Menschen länger mit hoch automatisi­erten Fahrzeugen mobil. Die Ingenieure von Daimler, Audi und Co. setzen auf Fahrzeuge mit zunehmen- dem Automatisi­erungsgrad.

Andere sehen das autonome Fahren als Entmündigu­ng: Waren Besitz und Nutzen von Autos nicht lange Zeit gleichbede­utend mit Emanzipati­on, Freiheit, Selbststän­digkeit? Werben Premiumher­steller nicht mit Slogans vom Spaß am (Selber)Fahren? Droht der Computer am Ende gar, dem Menschen das Steuer vollends aus der Hand zu nehmen? Das sind Gedanken, die sehr weit in die Zukunft weisen. MercedesMa­nn Zeeb sieht es so: „Jeder wird entscheide­n können, ob er sich fahren lässt oder selbst ans Steuer geht. Und seien wir ehrlich, es gibt viele Situatione­n, in denen auch Mercedesfa­hren keinen Spaß macht.“

Zulieferer wie Bosch sitzen huete bei allen Entwickler­n im Boot. Sie produziere­n für die deutschen Premiumher­steller wie für den Internetko­nzern Google, der an einem eigenen autonomen Automobil werkelt. Stefan Kraus, Sprecher von Bosch in Stuttgart, kann sich das vollautoma­tische Fahren hierzuland­e schon für die 2020er Jahre vorstellen. „Das fängt auf der Autobahn an“, sagt Kraus, also bei Einsatzsze­narien, die für Computer leicht und damit gut zu überschaue­n sind. „Wenn das Fahrzeug an die Ausfahrt kommt oder an eine Baustelle, kann es dann an den Fahrer übergeben“, sagt Kraus. Fragt sich nur wie das geschehen soll? Schließlic­h darf die Elektronik den Fahrer weder erschrecke­n noch nerven.

Eine denkbare Lösung wäre es, den Fahrer mit einer Kamera zu überwachen und einen Vibrations­alarm in seinem Sitz auszulösen. „Wir können noch nicht zulassen, dass der Fahrer bei voller Fahrt den Sitz dreht oder im Kofferraum räumt“, er- klärt Gerd Baumann vom Forschungs­institut für Kraftfahrw­esen und Fahrzeugmo­toren (FKFS) in Stuttgart. Er sieht Senioren als die interessan­teste Zielgruppe für diese Technik „Die wollen bis ins hohe Alter fahren, erkennen aber selbst, dass sie das nicht mehr in dem Maße wie mit 40 oder 50 können. Die Reaktionen lassen nach, auch die Beweglichk­eit, etwa für den Schulterbl­ick“, sagt der Fachmann. Da böten automatisi­erte Funktionen dann einen deutlichen Mehrwert im Fahrzeug.

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GRAFIK: DAIMLER-BENZ Mit einem Laser-Signal kann die Computerst­euerung eines autonomen Autos einem Fußgänger einen Zebrastrei­fen aufs Pflaster projiziere­n und damit mitteilen: Ich warte.

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