Das Auto wird autonom
Hersteller wollen Fahrzeuge, die ohne Fahrer auskommen können, für betuchte Senioren entwickeln
Ein Auto mit Chauffeur ist heute Ausweis eines hohen sozialen Status oder beträchtlichen Reichtums. Schon in zehn Jahren dürfte die Zahl der Menschen, die sich fahren lassen, allerdings deutlich zunehmen. Nur dass diese Fahrzeuge dann kein Mensch, sondern ein Computer steuert. Das autonome Auto kommt. Wer profitiert davon? Und wer möchte auf seine freie Fahrt verzichten?
Stuttgart. Dieses Auto ist ein Computer auf Rädern. Wer’s nicht glaubt, dem öffnet Eberhard Zeeb den Kofferraum seines S-Klasse-Mercedes. Da passt wirklich nichts mehr hinein. Rechner reiht sich an Rechner, überall Kabelstränge. „Jeder Experte hat hier sein System hineingepackt“, sagt Mercedes-Forscher Zeeb entschuldigend. Dort ein Modul für Radarsensoren, daneben eines für die Kameras. Ein dritter Rechner überwacht beide und steuert den autonomen Fahrbetrieb des Forschungsautos. Von außen wirkt der S500 unauffällig, würden da nicht hinter Windschutzscheibe, Heckscheibe und Kühlergrill jede Menge Sensoren hervorlugen.
Der Physiker Zeeb leitet die Abteilung Fahrzeugautomatisierung. 2013 hat er die spektakuläre vollautomatische Fahrt von Mannheim nach Pforzheim absolviert, im Gedenken an die Spritztour von Bertha Benz aus dem Jahr 1888. Jetzt steht er in der Forschungswerkstatt von Daimler in Böblingen und erklärt die ersten Schritte seines neuen Babys. Schon heute sind Fahrzeuge mit Sensoren für eine Vielzahl von Assistenzfunktionen vollgestopft. Das fängt bei den Ultraschallsensoren des Park-Assistenten an und geht über das Autobahn-Folgefahren bis zur automatischen Notbremse, die von Radar- und Kamerasensoren ausgelöst wird.
„Sie können die S-Klasse von Null bis 200 automatisiert fahren lassen“, erklärt Zeeb. Das Fahrzeug hält auf der Autobahn automatisch die Spur, kontrolliert den Abstand zum Vordermann und wechselt zum Überholen von selbst die Fahrbahn. „Der Fahrer muss aber die Hand am Lenker lassen“, sagt Zeeb. Eine spezielle Sensorik im Lenkrad kontrolliert das. So verlangt es eine internationale Übereinkunft aus dem Jahr 1968, nach der ein Fahrer zu jedem Zeitpunkt die Kontrolle behalten muss. Doch mittlerweile diskutiert die Branche, was darunter zu verstehen sei. Reicht es, wenn der Fahrer nur in kritischen Situationen hinzugebeten wird? Und kann der Computer das nicht besser?
Schon in zehn Jahren könnten Autos autonom fahren. Bei Daimler zeigt die Studie F015, wie es im Jahr 2030 zugehen könnte. Der Fahrer übergibt hier die Kontrolle komplett ans Auto. Doch wie wird das Auto mit seinem Fahrer kommunizieren? Was geschieht, wenn die Elektronik eine Fahrsituation nicht voll überblickt? Wie könnte sie zum Beispiel einem Fußgänger signalisieren, dass sie ihm den Vortritt lässt?
Das Versuchsmobil F015 ist beispielsweise mit LED-Anzeigen überzogen, die folgende Autos warnen sollen. Einem Fußgänger kann das autonome Auto per Laser das Signal eines Zebrastreifens vor die Füße projizieren, um so zu signalisieren, dass es warten wird, bis er die Fahrbahn überquert hat.
Das Projekt vom automatischen Auto könne nur dann Erfolg haben, wenn es gesellschaftliche Akzeptanz findet, erklärt Markus Maurer, Fahrzeugforscher der TU Braunschweig. Er sagt voraus, dass durch das automatische Fahren mehr Menschen am Straßen- verkehr teilhaben werden – Jugendliche, Hochbetagte, Behinderte. Das sieht auch Eberhard Zeeb so: „Theoretisch könnten auch Leute ohne Führerschein gefahren werden.“Doch das sei das Fernziel. Mittelfristig blieben ältere Menschen länger mit hoch automatisierten Fahrzeugen mobil. Die Ingenieure von Daimler, Audi und Co. setzen auf Fahrzeuge mit zunehmen- dem Automatisierungsgrad.
Andere sehen das autonome Fahren als Entmündigung: Waren Besitz und Nutzen von Autos nicht lange Zeit gleichbedeutend mit Emanzipation, Freiheit, Selbstständigkeit? Werben Premiumhersteller nicht mit Slogans vom Spaß am (Selber)Fahren? Droht der Computer am Ende gar, dem Menschen das Steuer vollends aus der Hand zu nehmen? Das sind Gedanken, die sehr weit in die Zukunft weisen. MercedesMann Zeeb sieht es so: „Jeder wird entscheiden können, ob er sich fahren lässt oder selbst ans Steuer geht. Und seien wir ehrlich, es gibt viele Situationen, in denen auch Mercedesfahren keinen Spaß macht.“
Zulieferer wie Bosch sitzen huete bei allen Entwicklern im Boot. Sie produzieren für die deutschen Premiumhersteller wie für den Internetkonzern Google, der an einem eigenen autonomen Automobil werkelt. Stefan Kraus, Sprecher von Bosch in Stuttgart, kann sich das vollautomatische Fahren hierzulande schon für die 2020er Jahre vorstellen. „Das fängt auf der Autobahn an“, sagt Kraus, also bei Einsatzszenarien, die für Computer leicht und damit gut zu überschauen sind. „Wenn das Fahrzeug an die Ausfahrt kommt oder an eine Baustelle, kann es dann an den Fahrer übergeben“, sagt Kraus. Fragt sich nur wie das geschehen soll? Schließlich darf die Elektronik den Fahrer weder erschrecken noch nerven.
Eine denkbare Lösung wäre es, den Fahrer mit einer Kamera zu überwachen und einen Vibrationsalarm in seinem Sitz auszulösen. „Wir können noch nicht zulassen, dass der Fahrer bei voller Fahrt den Sitz dreht oder im Kofferraum räumt“, er- klärt Gerd Baumann vom Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren (FKFS) in Stuttgart. Er sieht Senioren als die interessanteste Zielgruppe für diese Technik „Die wollen bis ins hohe Alter fahren, erkennen aber selbst, dass sie das nicht mehr in dem Maße wie mit 40 oder 50 können. Die Reaktionen lassen nach, auch die Beweglichkeit, etwa für den Schulterblick“, sagt der Fachmann. Da böten automatisierte Funktionen dann einen deutlichen Mehrwert im Fahrzeug.