Gewerkschaften wollen Kita-Streik kommende Woche fortsetzen
Der Streik in Kitas lenkt den Fokus auch auf andere Berufsgruppen
Berlin. Nach einer Woche KitaStreik hat Verdi-Chef Frank Bsirske die kommunalen Arbeitgeber aufgefordert, endlich ein verhandlungsfähiges Angebot vorzulegen. Dann könnte der bundesweite Arbeitskampf unverzüglich ausgesetzt werden, betonte Bsirske gestern. Ohne Angebot soll der unbefristete Streik von Erziehern und Sozialarbeitern in der kommenden Woche fortgesetzt werden. Insgesamt legten laut Verdi diese Woche 150 000 Beschäftigte der kommunalen Sozial- und Erziehungsdienste die Arbeit nieder.
In der Diskussion über eine angemessene Entlohnung der Arbeitnehmer in Deutschland sind sich viele Bürger einig, dass die Forderungen der Piloten, die gern und oft für traumhafte Privilegien streiken, nur schwer nachvollziehbar sind. Bei den Lokomotivführern ist das schon komplizierter, zumal es in diesem Konflikt nicht allein um höhere Entlohnung geht. Und während man den periodischen Streiks beim Versandhändler Amazon eher neutral gegenübersteht, ist der Arbeitskampf der Erzieherinnen von ganz anderem Kaliber. Hier sind die Sympathien eindeutig aufseiten der Frauen, die sich so aufopferungsvoll um unsere Kinder kümmern.
Das Verständnis für den andauernden Streik in den Kitas ist somit emotional programmiert. Es wird auch niemand ernsthaft bestreiten, dass die Arbeit mit Kindern besonders verantwortungsvoll ist und entsprechend honoriert werden muss. In früheren Jahren war das kein Thema. Die damaligen „Kindergärtnerinnen“leisteten ihre Arbeit zwar nicht für Gotteslohn, aber sie verstanden sich gewissermaßen als Sozialarbeiterinnen im Interesse der Allgemeinheit. Heute ist das völlig anders. Die Ökonomisierung der Gesellschaft mit der Emanzipation der Frau als gleichberechtigte Erwerbskraft und die damit verbundene Fremdbetreuung der Kinder in Krippen, Kitas, Kindergärten und (Ganztags-)Schulen haben die Verhältnisse grundlegend verändert.
Weder die Infrastruktur noch die Bezahlung der Fachkräfte in den Kitas haben bei dem Modernisierungstempo Schritt halten können. Obwohl die Bundesregierung bereits vor 20 Jahren jedem Kind einen Betreuungsplatz zusagte (§ 24 Sozialgesetzbuch), hat sie ihr Versprechen bis heute nicht halten können. Auch die Debatte um das Betreuungsgeld, in der sich gesellschaftliche Differenzen um das Verständnis von Frauenrolle und Familie spiegeln, hat an der Situation nichts geändert. Fakt ist, dass es in Deutschland zu wenig Betreuungsplätze und Betreuer/innen gibt. Diese werden nicht fürstlich bezahlt, bekommen aber mehr als ihre Kolleg/innen aus der Klinik- und Pflege-Branche.
An dieser Stelle wird es spannend, weil es psychologische Hemmnisse gibt, die stressige, aber Freude bringende Arbeit mit Kindern gegen die stressige, aber oft bedrückende Arbeit mit Alten und Kranken zu vergleichen. Die Argumentation von Verdi wäre aber ehrlicher, wenn sich die Gewerkschaft mit gleicher Leidenschaft für eine bessere Bezahlung der Krankenund Altenpfleger einsetzen würde. Deren schwere Arbeit muss der alternden Gesellschaft so viel wert sein wie die Arbeit mit Kindern. Um dieses Ziel zu erreichen, könnte eine simple Lösung helfen: Das Geld, das der Staat für das törichte Betreuungsgeld ausgibt, wäre bei KitaBeschäftigten und Altenpflegern weitaus besser aufgehoben.