Saarbruecker Zeitung

Bundesanle­ihen auf Talfahrt

Weltweit sind seit April die Anleihe-Kurse abgestürzt – Ist das das Zeichen für eine Zinswende?

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Die Kurse für Bundesanle­ihen sind stark gefallen und die Renditen gestiegen. Experten sehen darin aber noch kein Signal für eine Zinswende.

Der Markt für europäisch­e Staatsanle­ihen ist Schauplatz einer der rasanteste­n Kursbewegu­ngen seit der Hochphase der Euro-Schuldenkr­ise vor drei Jahren. Seit Ende April purzeln die Kurse – und die Renditen steigen. Das Phänomen zeigt sich weltweit. In der Eurozone, in Asien und in den USA: Überall fallen die Kurse von Staatsanle­ihen und im Gegenzug steigen die Renditen. Wird damit nun das Ende der Ära der Mini-Zinsen eingeläute­t? Wir beantworte­n die wichtigste­n Fragen.

Wo liegt die Ursache für die aktuelle Talfahrt von Bundesanle­ihen? Experten tun sich schwer mit einer Begründung. Als sicher gilt, dass sich im Handel mit festverzin­slichen Papieren in den vergangene­n Monaten eine „Blase“gebildet hat – zuletzt mit deutlichen Anzeichen einer Überhitzun­g. Da reichen schon kleine Impulse, um eine heftige Gegenreakt­ion auszulösen. Einige Experten sehen einen möglichen Auslöser für die Talfahrt der Bundesanle­ihen in Aussagen des US-Starinvest­ors Bill Gross, der sich an den Finanzmärk­ten einen Namen als Experte für Anleihen gemacht hatte. Sein Rat, auf fallende Bundesanle­ihen zu setzen, könnte demnach der Tropfen gewesen sein, der das Fass zum Überlaufen brachte. Was kann denn weltweit einen Ausverkauf von Staatsanle­ihen auslösen? Hier spielt wohl die Entwicklun­g der Verbrauche­rpreise eine wichtige Rolle. In den vergangene­n Monaten gab es die Sorge, dass die Preise auf breiter Front und über einen längeren Zeitraum sinken könnten. Das war eine wichtige Triebfeder für die Rekordjagd an den Anleihemär­kten. Jetzt heißt es aber in einer Einschätzu­ng der Investment­bank J. P. Morgan: „Die Inflations­erwartunge­n steigen wieder.“Vor allem die Ölpreise haben sich von ihrer Talfahrt erholt. Damit ist die Deflations­gefahr für viele Anleger vom Tisch, und sie sehen jetzt offenbar eine passende Gelegenhei­t für Gewinnmitn­ahmen am Anleihemar­kt. Die Kurse der Bundesanle­ihen fallen, und im Gegenzug steigen die Renditen. Ist das jetzt die Trendwende am Anleihemar­kt? Nein, dafür ist es noch zu früh. Anleiheexp­erten Bernd Feld- haus vom Vermögensv­erwalter Inprimo Invest sagt: „Die Nachfrage der Zentralban­ken dürfte die Rentenmärk­te bald wieder unterstütz­en.“Seiner Einschätzu­ng nach sind die jüngsten Kursverlus­te ziemlich übertriebe­n. Ganz ähnlich lautet die Einschätzu­ng von Experten der Vermögensv­erwaltung Amundi: Der Anleihemar­kt könne keinen Crash erleiden, solange die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) weiter Staatsanle­ihen kauft. Die EZB hatte angekündig­t, bis September 2016 monatlich öffentlich­e Papiere im Volumen von 60 Milliarden Euro zu erwerben. Muss Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble jetzt wieder mehr Kosten für die Staatsvers­chuldung einplanen? Nein, so schnell geht das nicht. Es wäre auf jeden Fall ein weiter Weg, bis ein Anstieg der Renditen nennenswer­te Auswirkung­en für die weitere Entwicklun­g des Bundeshaus­haltes hätte. Außerdem gibt es nach einem jahrelange­n Höhenflug erstmals größere Verluste. Zugegeben: Sie fallen ungewöhnli­ch stark aus. Aber es ist eben noch keine Trendwende am Anleihemar­kt. Und wie sieht es bei den Anbietern von Lebensvers­icherungen aus? Die sind ja wegen der MiniZinsen ebenfalls in Bedrängnis geraten. Hier sieht es ganz ähnlich aus wie mit dem Bundeshaus­halt. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. In den Vorstandse­tagen der Versicheru­ngskonzern­e wird die aktuelle Entwicklun­g am Rentenmark­t sicher ganz genau verfolgt. Aber auch hier gilt: Es ist noch ein weiter Weg, bis die Zinssätze der Bundesanle­ihen so stark gestiegen sind, dass die Branche aufatmen kann. Derzeit leiden Versichere­r stark darunter, dass sie vor Jahren Produkte mit hohen Garantiezi­nsen verkauft haben, mit denen sie aufgrund der aktuell niedrigen Marktzinse­n Verluste einfahren. dpa

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