Netanjahu hat im Ausland wenig Kredit
Israels Verbündete fühlen neuer Regierung schnell auf den Zahn
Ministerpräsident Netanjahu befindet sich in einer misslichen Lage: Sein Kabinett lehnt eine ZweiStaaten-Lösung für Palästina rigoros ab. Das fordern aber fast alle Vebündete im Ausland.
Jerusalem. Mit blumigen Worten zum angestrebten Nahostfrieden startete der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gestern in seine vierte Amtszeit – aber was eine Lösung des Dauerkonflikts mit den Palästinensern angeht, hat seine rechts-religiöse Koalition bei den Verbündeten Israels nur wenig Kredit. Die EUAußenbeauftragte Federica Mogherini und Außenminister FrankWalter Steinmeier (SPD) werden ihr noch im Mai auf den Zahn fühlen. Frankreich bereitet eine neue Resolution des UN-Sicherheitsrats zur Beilegung des Nahostkonflikts vor. US-Präsident Barack Obama erklärte sofort die ZweiStaaten-Lösung zum Lackmustest für Netanjahus neues Mandat.
Bei der ersten Sitzung des neuen Kabinetts, dem die Knesset nur mit knappster Mehrheit das Vertrauen aussprach, kündigte Netanjahu an: „Wir werden uns weiter um eine diplomatische Lösung bemühen und dabei die vitalen Interessen und die Sicherheit der Bürger Israels sichern.“Mit keinem Wort erwähnte er aber das Konzept eines souveränen Palästinenserstaates an der Seite Israels, das von den UN, den USA, der
Israels Präsident Netanjahu ist höchst umstritten.
EU und der Arabischen Liga als Lösung eindeutig favorisiert wird. Jedoch besteht die neue Regierung Israels mehrheitlich aus nationalistischen Siedlungsbefürwortern, Ultraorthodoxen und Gegnern einer palästinensischen Eigenstaatlichkeit. Sajeb Erakat, Chefunterhändler der PLO, nannte die rechts-religiöse Koalition eine „Kriegsregierung, mit der sich Netanjahu vehement dafür einsetzt, die Zwei-Staaten-Lösung zu begraben“.
Schon seit den vorgezogenen Knessetwahlen vom 17. März beobachtet die internationale Staatengemeinschaft argwöhnisch, welches Regierungsbündnis aus dem 55 Tage währenden Ringen hervorging. Europäische Diplomaten berichten, dass Paris das Zeitfenster zwischen den IranVerhandlungen und der UN-Voll- versammlung nutzen wolle, um im Juli und August eine weitreichende Resolution des Sicherheitsrates zu erreichen, in der ein fester Zeitrahmen für die Beendigung des Nahostkonflikts gesetzt wird. Mogherini wird für die EU am Mittwoch die Lage sondieren; Steinmeier ist Ende Mai vor Ort.
Angesichts dieses Bergs an diplomatischen Herausforderungen hat sich der Regierungschef das Außenressort zunächst selbst vorbehalten. Die täglichen Geschäfte wird aber Zipi Chotoveli als Vizeministerin führen – die Abgeordnete vom rechten Rand des Likud tritt für die Annektierung des gesamten Westjordanlands ein. Selbst die konservative „Jerusalem Post“warnt, dies werde Israel keine neuen Freunde in den Hauptstädten der Welt einbringen. „Man kann sich nach den Besuchen schon die Diplomatenberichte von den USA bis Neuseeland, von Großbritannien bis Spanien ausmalen: ein Außenministerium, das Tag für Tag von einer Verfechterin einer Ein-StaatenLösung geführt wird, die der Siedlerbewegung sehr nahe steht“, schrieb die Zeitung: Chotvoli verkörpere das Gegenteil „von allem, was die meisten in der Welt, Obama eingeschlossen, gerne in Israel sehen würden“. Die linksliberale „Haaretz“ging noch härter mit der Regierung ins Gericht: „Wir können nur hoffen, dass sie nicht lange hält.“´ afp