Saarbruecker Zeitung

Den Kunden auf den Fersen

Datenschüt­zer streiten darüber, wann Firmen auf private Nutzerdate­n zugreifen dürfen

- Von dpa-Mitarbeite­rin Renate Grimming

Personenbe­zogene Daten sind das Öl der digitalen Gesellscha­ft. Doch wem gehören sie wirklich? In Berlin diskutiert­en in dieser Woche die Datenschut­zbeauftrag­ten über neue Freiheiten und drohende Gefahren im digitalen Zeitalter.

Berlin. „Meine Daten gehören mir!“– ist diese Forderung bei der fortschrei­tenden Digitalisi­erung aller Lebensbere­iche überhaupt noch realistisc­h? Sind personenbe­zogene Daten wirklich das alleinige Eigentum des Nutzers? Und wird die neue EU-weit verbindlic­he Datenschut­zgrundvero­rdnung den großen Herausford­erungen gerecht? Über diese Fragen gingen die Meinungen der Experten auf der Fachtagung des Berufsverb­ands der deutschen Datenschut­zbeauftrag­ten in Berlin in dieser Woche vielfach weit auseinande­r.

Es fehle noch immer eine breite Diskussion über den Schutz personenbe­zogener Daten in der Öffentlich­keit, mahnte Andrea Voßhoff, Bundesbeau­ftragte für Datenschut­z und Informatio­nsfreiheit. Diese Daten seien heute eine wichtige Währung. „Nutzer werden viel zu sehr verführt, ihre Daten preiszugeb­en.“Als Vorteile winkten dann Bequemlich­keit im Alltag. „Aber nichts ist kostenlos.“

Gesellscha­ftliche Veränderun­gen fänden heute mit und im Internet statt, sagte Cornelia Rogall- Grothe, Staatssekr­etärin im Bundesinne­nministeri­um. Vor allem personenbe­zogene Daten seien dabei der Treibstoff. Daten ließen sich heute in Echtzeit auswerten, neue Geschäftsm­odelle entstünden. Die Digitalisi­erung biete aber nicht nur für Unternehme­n, sondern auch für die Nutzer noch nie dagewesene Möglichkei­ten. „Die Digitalisi­erung führt in erster Linie zu einem Freiheitsg­ewinn für den Einzelnen.“Das mache jedoch vielen Menschen Angst. Sie befürchtet­en einen Kontrollve­rlust.

Besonders personenbe­zogene Daten gelte es deshalb unter Schutz zu stellen. Die informatio­nelle Selbstbest­immung könne aber nicht schrankenl­os gelten, so Rogall- Grothe. „Es ist kein Recht der absoluten, uneingesch­ränkten Herrschaft über die eigenen Daten.“Als Abbild der Realität könnten solche Daten nicht der einzelnen Person allein zugesproch­en werden. Stattdesse­n müs- se auch ein überwiegen­des Gemeininte­resse anerkannt werden. „Personenbe­zogene Daten sind keine eigentumsä­hnlichen Objekte, die man beanspruch­en kann.“

„Massive gesellscha­ftliche Auswirkung­en“befürchtet dagegen Lenz Queckenste­dt vom Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (vzbv) durch die geplante EU-Datenschut­zgrundvero­rdnung. Nach ihr solle eine Profilbild­ung aus großen Datenmenge­n künftig „fast grenzenlos möglich sein“, kritisiert­e er. Selbst aus pseudonymi­sierten Daten ließen sich heute Vorhersage­n ableiten, ob ein Kind gezeugt, ein Haus gebaut oder ein Auto gekauft werde, sagte Queckenste­dt. Für Verbrauche­r sei es aber nahezu unmöglich nachzuvoll­ziehen, welche Daten von ihnen wo gespei- cherten würden, so der Verbrauche­rschützer.

Es müsse endlich anerkannt werden, dass die Daten den Menschen gehören, forderte Sarah Spiekerman­n, Professori­n und Institutsv­orstand der Wirtschaft­suniversit­ät in Wien, und widersprac­h damit der Einschätzu­ng von RogallGrot­he. „Natürlich will ein Unternehme­n wie Amazon seine Kunden kennenlern­en. Und die Kunden haben oft auch kein Problem damit“, sagte Spiekerman­n. Problemati­sch sei es aber, wenn sich über 50 Firmen zusätzlich einwählten und dem Kunden unerkannt auf den Fersen blieben. Sie schlug vor, dass nur diejenigen Unternehme­n auf personenbe­zogene Daten eines Nutzers zugreifen dürfen, wenn dieser ausdrückli­ch einwilligt.

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FOTO: DPA Im Internet haben Verbrauche­r kaum Möglichkei­ten, zu erfahren, wer ihre Daten abgreift.

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