Kein Tricksen mehr beim Normverbrauch
EU- Kommission entwickelt neues Testverfahren, um realistische Verbrauchsangaben zu ermitteln
Der Normverbrauch neuer Fahrzeuge wird auf dem Rollprüfstand im Labor ermittelt. Das sei realitätsfern, sagen Experten. Auf dem Wiener Motorensymposium diskutierten sie über neue Verbrauchsmessungen.
Wien. Die Angaben zum Normverbrauch eines Autos taugen nichts. Der aktuelle Verbrauchstest, der Aufschluss über den Konsum und Schadstoffausstoß eine Autos geben soll und über die Einstufung in Effizienzklassen entscheidet, ist nach Expertenmeinung mehr als realitätsfern.
Er wird nicht auf der Straße, sondern auf einem Rollenprüfstand „gefahren“. Die „Strecken“entsprechen kaum einer realen Verkehrssituation. Nebenverbraucher im Auto wie Klimaanlage oder Infotainment-Systeme bleiben ausgeschaltet. Und manch ein Hersteller mogelt sogar, zum Beispiel mit einer abgekoppelten Lichtmaschine, die dem Motor einen deutlich leichteren Lauf ermöglicht und so den Verbrauch senkt.
Das soll sich ändern. Ab 2017 wird getestet, wie man die Real Driving Emissions (RDE), den tatsächlichen Schadstoffausstoß beim Fahren, am besten messen kann. Man ahnt, das wird eine schwierige Prozedur.
Heutzutage werden der Normverbrauch und der Schadstoffausstoß neuer Fahrzeugmodelle auf dem Rollprüfstand ermittelt. Die Werte liegen meist viel niedriger als in der Realität.
Denn wie lassen sich die vielen unterschiedlichen Einflussfaktoren berücksichtigen? Kann eine Standard-Fahrt zum Maß der Dinge erhoben werden – und vor allem, wie soll die aussehen? Antworten auf diese Fragen hat ein Team um den Wissenschaftler Theodoros Vlachos im Forschungszentrum der Verkehrsabteilung der Europäischen Kommission ge- sucht. Und zumindest einige gefunden.
Der Testzyklus zur Ermittlung des Normverbrauchs eines neuen Modells wird so standardisiert, dass er von jedem EUMitgliedstaat nachvollzogen, also nachgefahren werden kann. Er findet also auf realer Straße statt. Protokolliert werden neben den Verbrauchsdaten auch Umweltbedingungen wie Wetter und Temperatur, denn beides beeinflusst den Verbrauch. Außerdem werden Angaben zur Höhe über dem Meeresspiegel, Steigungen oder Gefälle sowie zum Beladungszustand des Fahrzeugs festgehalten. Die Fahrt muss über dreimal mindestens 16 Kilometer führen: mit 15 bis 30 km/h in der Stadt, bis 90 km/h auf der Landstraße und 145 km/h auf der Autobahn, wobei die Geschwindigkeit hier kurzzeitig auf 160 km/h erhöht werden darf. Die ermittelten Daten werden bezogen auf die einzelnen Streckenabschnitte und unter Berücksichtigung der Fahrweise des Wagenlenkers ausgewertet. Es wird notiert, ob ein defensiver, ein durchschnittlicher oder ein aggressiver Fahrer am Lenkrad gesessen hat. Mit einem eigens entwickelten Formel-Werk lässt sich nun ein realistischer Wert für den tatsächlichen Verbrauch und Schadstoffausstoß errechnen, der aus den einzelnen Verbrauchsdaten und den jeweiligen Betriebszuständen resultiert.
Diese Messnorm wird zunächst jedoch nur für Nutzfahrzeuge gelten, deren Fahrzyklen recht konstant und daher vergleichbar sind. Für den Privatfahrer taugt sie nicht, zu groß sei die Spreizung zwischen spezifischen Fahrprofilen bei Personenwagen und Nutzfahrzeugen. Sie unterscheide sich laut repräsentativer Untersuchungen um den Faktor 3,5. Für die Brummis wird das Regelwerk nach weiterer Feinabstimmung ab 2017 bindend. Der private Autofahrer wird sich noch eine Weile mit Angaben begnügen müssen, die unter Laborbedingungen ermittelt wurden. Für Personenwagen beginnt zu diesem Zeitpunkt erst die Testphase des RDE-Messverfahrens.