Saarbruecker Zeitung

Der aus dem Nichts kam

Andrzej Duda ist überrasche­nd Polens neuer Präsident – Brüssel wird es nicht leicht haben mit dem Juristen aus Krakau.

- Von SZ-Mitarbeite­rin Inna Hartwich

Sie haben ihn gewählt, aber vielen Polen gibt Andrzej Duda noch Rätsel auf: Wird er der nette Präsident von nebenan? Oder droht nun ein Konflikt mit der Regierung – gerade auch über Europa?

Berlin/Warschau. Wer Andrzej Duda ist? Bis vor wenigen Monaten schüttelte­n die meisten Polen noch den Kopf. Wer sollte ihn auch kennen, diesen unscheinba­ren Politiker, der in der Fraktion der Europäisch­en Konservati­ven im EU-Parlament saß. Nun aber ist Duda ihr Präsident, mit 52 Prozent der Stimmen hat er den liberalen Zentristen Bronislaw Komorowski von dessen Posten gestürzt. Damit hat Duda das ver- meintlich Unmögliche geschafft.

Sicher, er hatte Komorowski bereits im ersten Wahlgang vor zwei Wochen Kopfschmer­zen bereitet. Hatte ihn auf Anhieb auf Platz zwei verwiesen und dafür gesorgt, dass Komorowski auf einmal bewusst wurde, dass er sich im Wahlkampf nicht auf seine jahrelange Beliebthei­t allein stützen kann. Seit acht Jahren sind die Liberalen von der Bürgerplat­tform an der Macht, seit fünf Jahren mit Komorowski an der Spitze. Jahre, in denen sie die Bodenhaftu­ng verloren und sich immer weiter von den Sorgen der Menschen, vor allem im weniger entwickelt­en Osten des Landes, entfernten.

Duda konnte bei vielen mit seinen populistis­chen Verspreche­n von weniger Steuern, vom niedrigen Rentenalte­r und mehr bezahlbare­n Wohnungen punkten. Es sind Zugeständn­isse, die der neue Präsident kaum aufrechter­halten kann, weil das Staatsbudg­et es nicht zulässt und weil er – den gesetzlich verankerte­n repräsenta­tiven Aufgaben des Präsidente­n geschuldet – ohnehin wenig Gestaltung­sspielraum hat. Dennoch: Duda, der Euroskepti­ker, verstand

In Siegerpose: Andrzej Duda ist neuer Präsident Polens.

es mit seiner ruhigen sympathisc­hen Art, den Problemen des „kleinen Mannes“zuzuhören.

„In Polen wählt man im ersten Wahlgang emotional, im zweiten aber rational“, sagten sich die Liberalen nach dem Schock des ersten Wahlgangs. Nun legte auch die Stichwahl nahe, wie sehr sich die Polen nach Veränderun­gen sehnen. Schon steht die Politikeli­te Kopf. Die Konservati­ven, weil sie mit dem unbekannte­n Duda wieder in die Nähe der Machtzentr­ale rücken und im Herbst womöglich auch bei den Parlaments­wahlen die Mehrheit holen könnten. Die Liberalen, weil sie das Schreckges­penst der „Orbanisier­ung“in Polen erwacht sehen. Viktor Orban, Ungarns Ministerpr­äsident, ist mit seinem EU-skeptische­n Kurs und der Stärkung seiner Macht durch den Griff zum Nationalis­mus seit langem ein Vorbild für Polens Konservati­ve.

Erfunden hat den Sieger dieser Wahl Jaroslaw Kaczynski, der Gründer der nationalka­tholischen Partei „Recht und Gerechtigk­eit“. Der Bruder des 2010 bei Smolensk in Russland verunglück­lickten damaligen polnischen Präsidente­n Lech Kaczynski ist zwar der Dreh- und Angelpunkt der polnischen Rechtskons­ervativen. Seit er von 2005 bis 2007 Ministerpr­äsident war, gilt er den Liberalen, den Kommuniste­n und der städtische­n Jugend als unwählbar. Seine aggressive Rhetorik gegenüber der EU katapultie­rte ihn ins Aus. Duda trat leiser auf, in der Rolle eines Intellektu­ellen mit starker familiärer Bindung. Aus dem vermeintli­chen Strohmann wurde schnell einer, der gestalten will. Im „Hauptstrom der EU“, sagte der einstige Ministrant im Wahlkampf, wolle er nicht schwimmen. Polen steht vor einem Schritt nach rechts. Und die EU hat ein mühsameres Mitglied an ihrem östlichen Rand.

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FOTO: AFP

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