Irlands soziale Revolution
Bürger stimmen bei Volksentscheid mit klarer Mehrheit für Homo-Ehe – Ohrfeige für Katholische Kirche
Bis 1993 stand Homosexualität in Irland unter Strafe. Doch nun hat das Land gleichgeschlechtliche Ehepaare mit Ehen zwischen Mann und Frau gleichgestellt – und zwar als weltweit erstes Land mit einem Referendum.
Dublin. Eng umschlungen und tief bewegt standen die beiden Frauen in der Altstadt von Dublin und starrten auf die Leinwand vor dem historischen Schloss in der irischen Hauptstadt. Darauf erschienen nach und nach die Auszählungsergebnisse des Referendums über die Homo-Ehe, während auf dem Platz zahllose Flaggen in Regenbogenfarben geschwenkt wurden. Irgendwann illustrierte eine Karte auf der Leinwand dann: Die Befürworter der Homo-Ehe haben den Volksentscheid gewonnen. Und auf dem Platz feierten Tausende dieses geschichtsträchtige Resultat. „Ich bin von nun an nicht weniger wert als alle anderen“, sagte Claire – und schaute dabei ungläubig auf das Ergebnis. Freudentränen erstickten ihre Stimme.
Als weltweit erstes Land sprachen sich die Iren am Freitag mit einem Volksentscheid und nicht per Parlamentsbeschluss dafür aus, die Ehe zwischen Homosexuellen der Ehe zwischen Mann und Frau gleichzustellen. Dafür reisten viele Menschen sogar aus dem Ausland zurück in ihre erzkatholische Heimat. Das Ergebnis fiel dann auch eindeutig aus. Mehr als 1,2 Millionen Iren und damit etwa 62 Prozent der Stimmen sorgten dafür, dass Artikel 41 der Verfassung geändert wird.
Schon Ende des Jahres dürften auch alle schwulen und lesbischen Paare integriert sein: „Eine Ehe kann in Übereinstimmung mit dem Gesetz zwischen zwei Menschen ungeachtet ihres Geschlechts eingegangen werden.“Seit 2011 gab es zwar die Form der eingetragenen Lebenspartnerschaft. Diese garantierte die juristische Gleichbehandlung beim Erbrecht oder beim Thema Steuern. Mit der völligen Gleichstellung ist Irland einen großen Schritt weiter als beispielsweise Deutschland, wo Homosexuelle lediglich eine eingetragene Lebenspartnerschaft schließen können.
Dass die Homo-Ehe ausgerechnet im konservativen Irland, wo die Kirche traditionell einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft genießt, eingeführt wird, hat symbolische Bedeutung über die Landesgrenzen hinaus. „Das ist eine soziale Revolution“, sagte Leo Varadkar, der irische Gesundheitsminister, der erst im Januar sein Coming- Out hatte. Regierung und Opposition hatten einhellig für die Verfassungsänderung geworben. Ministerpräsident Enda Kenny begrüßte den Ausgang des Referendums: „Mit dieser Wahl haben wir gezeigt, wer wir sind: Ein großherziges, mitfühlendes, mutiges und freudvolles Volk.“
Noch vor 22 Jahren konnten Schwule und Lesben in Irland im Gefängnis landen, Homosexualität war in dem erzkatholischen Staat bis 1993 als Straftat eingestuft. Doch die Kirche hat ein Autoritätsproblem, nachdem immer neue Skandale um Gewalt an Kindern sowie um Vergewaltigungen und sexuellen Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen die Insel erschütterten. Und so hatten sich die katholischen Bischöfe vor dem Referendum vergebens gegen die rechtliche Gleichstellung homosexueller Paare ausgesprochen. Für Diarmuid Martin, Erzbischof von Dublin, zeige die Niederlage, dass die Kirche „wieder eine Verbindung mit jungen Menschen herstellen müsse, um ihre traditionelle kulturelle Bedeutung und ihre moralische Autorität in Irland zurückzugewinnen“.