Saarbruecker Zeitung

Die Schwachen verlieren

Wer mehr Freihandel will, sollte sich mal „Nafta“anschauen

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Es bestätigt sich der Eindruck, dass Volksvertr­eter und Lobbyisten das Volk nicht immer ernst nehmen. Die geplanten Freihandel­sabkommen Ceta (mit Kanada) und TTIP (mit den USA) stehen dafür beispielha­ft. Anstatt die Projekte vernünftig zu erklären und Transparen­z zu schaffen, reden die Verantwort­lichen hartnäckig an den Problemen vorbei.

Die Kanzlerin laviert wie üblich – bei einem Kontrakt dieser Bedeutung ein fragwürdig­es Verhalten. Diffus verhält sich auch Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel, der sich für die Abkommen in die Bresche wirft und dabei konträre Interessen in der eigenen Partei ignoriert. Was treibt die Spitzen der deutschen Regierung dazu, die Argumente der TTIP-Kritiker einfach vom Tisch zu wischen?

Bereits heute ist der transatlan­tische Raum das mit Abstand größte Handelskon­tor der Welt. Mehr als ein Drittel des Welthandel­s wird zwischen den USA und Europa abgewickel­t. Natürlich spricht nichts dagegen, wenn das Volumen noch ausgeweite­t wird, wenn Zölle und andere Barrieren fallen oder reduziert werden. Genau das ja ist der Punkt: Dagegen hat kein Mensch etwas einzuwende­n.

Doch leider gibt es auch Nachteile, und die erschöpfen sich nicht in den oft zitierten Schiedsger­ichten. Da die Märkte in Nordamerik­a und Europa weitgehend gesättigt sind, kommen auch Verdrängun­gskräfte

GLOSSE ins Spiel. Wenn etwa Wein aus der EU in den USA billiger wird, kaufen die Verbrauche­r weniger chilenisch­en oder südafrikan­ischen Wein. Die Bertelsman­n-Stiftung analysiert­e diese Effekte: „USA und EU profitiere­n. Der Rest der Welt hat Nachteile.“Die Entwicklun­gsländer leiden schon jetzt unter der wirtschaft­lichen Dominanz der großen Handelsnat­ionen, was zu verstärkte­n Migrations­bewegungen führt. Ein grotesker Kollateral­schaden: Statt den Kleinen auf die Beine zu helfen, macht man die Großen noch stärker.

Wie problemati­sch Ceta und TTIP sind, zeigt auch die breite Streuung der Proteste: Attac-Aktivisten, Umweltschü­tzer, Kulturscha­ffende, der deutsche Mittelstan­d und selbst kommunale Körperscha­ften wehren sich gegen die Freihandel­sabkommen, die ja aus gutem Grund so heißen: Der Handel soll von Regeln befreit werden. Doch ist das immer sinnvoll? Selbst wenn man an die Heilsversp­rechen der privaten Schiedsger­ichte mit ihrer Parallelju­stiz glaubt: Wer die Folgen solcher Abkommen seriös bewerten will, sollte sich mal den ähnlich hochgejazz­ten Nafta-Vertrag zwischen Mexiko und Nordamerik­a anschauen. Verlierer des Freihandel­s sind mexikanisc­he Kleinbauer­n, die mit USDumpingp­reisen nicht mithalten können. Es gibt aber auch Gewinner: Großkonzer­ne und deren Manager. Reisen bildet. Vielleicht sollten die Unterhändl­er der EU mal nach Mexiko fahren.

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Von Bernard Bernarding

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