Wenn das Aschenputtel den Spieß rumdreht
feuerspeiende Fantasie-Skulpturen, schwebende Leucht-Kugeln und eine schier unendliche Zahl lodernder Tontöpfe: Über 30 000 Besucher gaben sich am Samstagabend auf dem Gelände des Carreau Wendel in Petite Rosselle dem atemberaubenden Sog der Feuerinstallationen der Compagnie Carabosse hin. Im Halblicht der Flammen wandelte man rund um die illuminierten Fördertürme der stillgelegten Kohlengrube und ließ sich von der sphärischen Live-Musik in eine meditative Stimmung versetzen. 2014 verzauberte Carabosse die Besucher des Deutsch-Französischen Gartens in Saarbrücken. Hier in Petite-Rosselle gewann die Installation eine neue Qualität: Fast glaubte man, die gigantischen verrosteten Maschinen würden aus ihrem Schlaf erwachen und wieder ihre Arbeit aufnehmen. Saarbrücken. Wer sagt denn, dass Prinzessinnen brav abwarten müssen, bis ein Prinz sie erlöst? Und dass Rotkäppchen Angst hat vorm bösen Wolf? In ihrem Tanzstück „Barbe-Neige et les sept petits cochons au bois dormant“, das am Freitag im Forbacher Le Carreau zu sehen war, fällt Laura Scozzi lustvoll über die Moral und die stereotypen Geschlechterrollen der Märchenwelt her. Frei nach dem Motto „brave Mädchen kommen in den Himmel, böse überallhin“dreht die italienische Choreografin den Spieß einfach um. Gleich sieben Schneewittchen gehen hier einem spillerigen Zwerg an die Wäsche, zusätzlich aufgeputscht durch den Stiefmutter-Apfel, der nämlich nicht Gift, sondern Potenzmittel enthält.
Aschenputtel halten Prinzen zum Narren und „verlieren“mal Herrenschuhe, mal Beinprothesen. Auch tänzerisch pfeift die Truppe auf Konventionen, wechselt zum rasanten Soundtrack von Paganini von klassischer Spitze nahtlos zu Breakdance mit Kopfpirouetten und Pantomime. Mit kindlicher Lust an der Wiederholung spielt man Schlüsselszenen bekannter Märchen von Grimm und Perrault in immer neuen überraschenden Varianten durch. Nur noch die Kostüme sehen hier genauso aus wie in den gelackten Trickfilmen von WaltDisney: Der Prinz darf hier den Prinzen küssen, der Zwerg für Schneewittchen den Haushalt schmeißen und Rotkäppchen sich in den Bart grinsen, wenn es den Wolf an die Leine legt. Ein Ballett, das Sprengkraft haben könnte, hätte es Scozzi nicht drauf angelegt, vor allem lustig zu sein. So war das turbulente Gastspiel, das das Publikum begeisterte, denn doch nur ein jugendfreier, harmloser Spaß für die ganze Familie. sbu