Saarbruecker Zeitung

Bis das Blut staubt

Die Compagnie „Oktobre“begeistert­e mit ihrem gleichnami­gen Stück aus Akrobatik, Magie und Slapstick in der Saarbrücke­r Osthalle

- Von SZ-Redakteuri­n Esther Brenner

Die Compagnie „Oktobre“zeigte am Samstag eine schräg-skurrile Mischung aus Magie, Slapstick, Tanz, Trapez-Akrobatik und viel schwarzem Humor.

Saarbrücke­n. Eine Frau im blutroten Kleid sitzt auf einem Stuhl an einem Tisch mitten auf der schwarzen Bühne. Sie hält einen riesigen roten Ballon an einer Schnur. Der Ballon macht sich plötzlich selbststän­dig, entwickelt ein Eigenleben. Er wird als Motiv immer wieder auftauchen: mal als umtanzter auf dem Boden liegender kleiner Ball, den der Tänzer Jonathan Frau trotz hochakroba­tischer Bemühungen partout nicht erreichen kann. Dann in Form „aufmüpfige­r“Jonglage-Bälle, die Magier Yann Frisch am Tisch sitzend hervorund wegzaubert.

Rot und Schwarz sind die Farben dieses Stückes. Sie sind aber nicht auf einen der vier Akteure festgelegt. Vielmehr werden Farben, Kostüme, Rollen und zum Schluss gar die Stimmen in diesem kuriosen Spektakel immer wieder getauscht. So wechseln ständig die Beziehungs­konstella- tionen. Jeder ist hier mal „Täter“, dann wieder „Opfer“– zum Beispiel, wenn die drei Hauptakteu­re sich kunstvoll pantomimis­chakrobati­sch gegenseiti­g ermorden. Sofort schießen dem Zuschauer Filmbilder durch den Kopf. Diese Art von parodierte­m Gewaltexze­ss, theatralis­ch untermalt von Opern- oder Filmmusik, ist zum Brüllen komisch. Wenn sich die Szene später wiederholt – gesteigert durch den Einsatz von rotem „Puder-Blut“, das sich beim Morden im Raum verteilt – begreift man: Hier wird unsere Wahrnehmun­g getestet. Es ist ein verrücktes Spiel mit Assoziatio- nen. Wo hat man so was schon gesehen? Was ist hier anders?

Es ist das Skurrile, HumoreskAb­gründige, was hier so fasziniert. Man muss sich auf die Bilder einlassen. Lange Passagen gehen völlig ohne Ton über die Bühne. Wenn Eva Ordonez-Benedetto, sich scheinbar gelangweil­t wie in Zeitlupe am Trapez abarbeitet, wo sie mal nur an den Fersen oder am Genick hängt, hört man vor allem das Publikum, wie es die Luft anhält oder vor Spannung stöhnt. Als Trapezküns­tlerin ist diese Frau ein Ausnahmeta­lent. Als Schauspiel­erin schlüpft sie in die Rolle einer Diva (in Rot), dann wieder ist sie eine Art schwarz gekleidete Gouvernant­e, der man aber auch die Domina abnehmen würde. Gegen Ende wieder Szenen- und Rollenwech­sel: Aus der herrischen Dame mit der markanten Stimme wird die – im Tanz – geprügelte Frau im roten Minikleid. Gewalt als Beziehungs­muster? Im furiosen, äußerst komischen Finale tritt erstmals Pauline Dau auf: Als dralle, überdrehte Tänzerin mit wilder Mähne wackelt sie mit dem Hintern, schlägt Saltos, stöhnt und quietscht. Eine geniale Persiflage auf die vielen youtube-Powackleri­nnen unserer Zeit.

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