Dicke Freunde, das war einmal
Vor allem Chuck Blazer und Jack Warner sind für Noch-Fifa-Chef Sepp Blatter zur Bedrohung geworden
Jahrelang umschifft Joseph Blatter jede Klippe in allen Fifa-Skandalen. Die Gründe für seinen baldigen Rückzug werfen nun Fragen auf. Noch arbeitet er, als wäre nichts passiert. Noch nicht.
Zürich. Der Applaus tat Joseph Blatter gut. Gerührt soll der scheidende Weltverbandspräsident am Tag nach seiner Rücktrittsankündigung minutenlange Ovationen der Fifa-Belegschaft aufgenommen haben. Die Arbeit in der noblen Züricher Zentrale sei auch nach dem sensationellen Entschluss Blatters normal weitergegangen, hieß es. Business as usual – überprüfen lassen sich die Informationen nicht. Der Prunkbau am Zürichberg war für Medien abgeriegelt. Viel wichtiger für den 79 Jahre alten Schweizer wird sein, was außerhalb der FIFA-Strasse 20 passiert.
Wollte Blatter mit der Entscheidung wirklich seine Familie schützen, wie es Tochter Corinne darstellte? Oder fühlte sich der machtbewusste DauerRegent doch durch die Ermittlungen der US-Behörden zu dem unerwarteten Schritt gedrängt, nachdem er während seiner 17-jährigen Amtszeit an der Spitze der Fifa noch jede Klippe umschifft hatte? Dies lassen zumindest Andeutungen aus dem nahen Umfeld Blatters vermuten. Sein langjähriger Vertrauter Walter Gagg berichtete der Nachrichtenagentur AP, dass er am Dienstagmorgen noch „ein sehr gutes Treffen“mit dem Fifa-Boss gehabt hätte. „Dann kamen die anderen Informationen aus den USA mit diesem und jenem.“
Durch die Veröffentlichung der Aussagen von Chuck Blazer zu organisierter Bestechung vor den WM-Vergaben 1998 und 2010 wurde Blatter nicht belastet. Sein wegen Korruption gefallener Ex-Freund Jack Warner droht Blatter aber wieder einmal unverhohlen: „Blatter weiß, warum er gefallen ist. Und wenn es jemand anderes weiß, bin ich es.“Nicht einmal der Tod werde die Lawine stoppen.
Das FBI soll auch gegen Blatter ermittelt haben, wie unter anderem die „New York Times“unter Berufung auf Ermittler am Dienstag berichtet hatte. Die Zeitung hatte in der Vorwoche die Verhaftungen führender Fußball-Funktionäre publik gemacht und den Anstoß zur Eskalation der massiven FifaGlaubwürdigkeitskrise kurz vor Blatters dennoch geglückter Wiederwahl am Freitag gegeben. Der US-Fernsehsender ABC berief sich bei seinen – für Blatter im Wahrheitsfall verheerenden – Informationen auf Personen, die mit dem Fall ver- traut seien. Einzelheiten, was die Ermittlungen ergeben haben, oder ob sie andauern, wurden nicht bekannt. Nur knapp 96 Stunden nachdem Blatter im Anschluss an seine Wiederwahl noch vor jugendlichem Elan gesprüht hatte, erklärte er nun mit ernster Miene und sichtlich angeschlagen seine Demission. Es sei seine „tiefe Fürsorge für die Fifa“, die ihn bewegt hatte, begründete er den Entschluss.
Für Blatter stehen in der näheren Zukunft vor allem repräsentative Termine an, an seinen Reiseplänen habe sich nichts geändert, sagte Mediendirektor Walter de Gregorio. Der scheidende Fifa-Chef werde wie zuvor geplant in den kommenden 15 Tagen nicht das Ausland be- suchen, dann wird er gemäß Protokoll bei den Endspielen der U-20-WM in Neuseeland (20. Juni) und der Frauen-WM (5. Juli) in Kanada erwartet. Pikanter dürfte ein möglicher Trip zum Finale des Gold Cups, des Kontinentalturniers von Nord- und Mittelamerika, am 26. Juli in Philadelphia werden. Spätestens bei einer Einreise Blatters in die USA würde sich klären, ob die amerikanischen Behörden noch Fragen an den Fifa-Boss haben. Dass am Mittwoch die Polizei vor der FifaZentrale aufzog, war jedoch noch kein Grund für Argwohn. Medienberichten zufolge erwarteten die Sicherheitskräfte eine Demonstration von Palästina-Anhängern.