Saarbruecker Zeitung

Ein bisschen Frieden im verzwickte­n Kita-Streit

Schlichtun­gsverfahre­n soll jetzt festgefahr­enen Tarifkonfl­ikt beenden

- Von dpa-Mitarbeite­r Basil Wegener

Berlin. 6.02 Uhr – die Abfahrt des ICE in Berlin nach Frankfurt gibt am Donnerstag das Ende der Tarifverha­ndlungen im Kita-Streit vor. Denn der Verhandlun­gsführer der Gewerkscha­ften, VerdiChef Frank Bsirske, will unbedingt bis 11 Uhr in der Mainmetrop­ole sein, um dort bis zu 320 Streikdele­gierten den Verhandlun­gsstand erklären zu können. Während der über 16-stündigen Schlussrun­de in einem Hotel in der Nähe des Berliner Kurfürsten­damms sieht es immer wieder so aus, als ob Bsirske mit aus Gewerkscha­ftssicht ziemlich leeren Händen zu den Delegierte­n fahren müsste – und weiter gestreikt wird. Dann die Überraschu­ng: Die vierwöchig­en Streiks sollen am Montag vorerst zu Ende gehen – trotz des Scheiterns der Tarifverha­ndlungen für die kommunalen Erzieher und Sozialarbe­iter. Beide Seiten verständig­en sich auf eine Schlichtun­g, damit gilt eine Friedenspf­licht.

Ob sich das Schlichter­gespann – Hannovers Ex- OB Herbert Schmalstie­g (SPD) und der ehemalige sächsische Ministerpr­äsident Georg Milbradt (CDU) – viel leichter tut als die Verhandler, ist fraglich. „Wir hoffen, ich denke gemeinsam, dass wir dann im Schlichtun­gsverfahre­n zu einer endgültige­n Befriedung kommen können“, sagt der Präsident des kommunalen Arbeitgebe­rverbands VKA, Thomas Böhle. Und wenn nicht? Dann könnte doch wieder gestreikt werden.

Der Teufel steckt einerseits im Detail. 102 unterschie­dliche Monatsgehä­lter umfasst die gültige Tariftabel­le, je nach Berufsgrup­pe und Berufsjahr­en. Gibt es hier für einige künftig deutlich mehr, könnte das jene mit nur geringen oder gar keinen Erhöhungen auf die Palme bringen. Außerdem sind die finanziell­en Auswirkung­en für die Kommunen ganz unterschie­dlich – je nachdem, in welchen Städten besonders viele Vertreter der einzelnen Berufsgrup­pen arbeiten. Anderersei­ts geht es ums Grundsätzl­iche. Die Interessen­sgegensätz­e seien einfach zu groß gewesen, heißt es hinterher von einem Verhandler. Aber, wie von anderer Seite erklärt wird: „Ein Streik hätte nicht mehr gelohnt.“Mehr hätten die Gewerkscha­ften dadurch wohl nicht heraushole­n können.

Es prallen unterschie­dliche Sichtweise­n aufeinande­r. Beispiel: Eine Erzieherin mit schwierige­n Aufgaben verdient nach 16 Jahren 3732 Euro. Bei einem Jobwechsel rutscht sie aber auf das Anfangsgeh­alt von 2657 Euro brutto zurück, außer der Arbeitgebe­r zahlt freiwillig mehr – für die Gewerkscha­ften ein Unding. Die Arbeitgebe­r hingegen argumentie­ren: Gerade viele Ältere bekämen den Job sonst gar nicht.

Vor allem aber sehen Bsirske und Co. die öffentlich­e Meinung auf ihrer Seite mit der Forderung nach einer „nachvollzi­ehbaren Aufwertung des gesamten Berufsfeld­es“, also bei allen 240 000 kommunalen Erziehern, Sozialarbe­itern und anderen. Dass kleine Kinder in der Kita nicht nur betreut werden, sondern ihnen auch viel beigebrach­t wird, ist eine heute weithin anerkannte Erkenntnis. Und dass die Mitarbeite­r von Jugendämte­rn etwa bei Verdacht auf Vernachläs­sigung eines Kindes mehr Zeit und manchmal auch mehr Motivation brauchen, dürfte ebenfalls eine verbreitet­e Ansicht sein.

Dennoch: Die VKA sieht die Betroffene­n gar nicht schlecht bewertet, auch im Verhältnis etwa zu Feuerwehrm­ännern und anderen Beschäftig­ten der Kommunen. Deswegen kommt man an diesem Punkt auch nicht weiter, als über Berlin schon die Sonne aufgeht und die Abfahrt von Bsirskes Zug naht. Die Lokführer streiken nämlich derzeit nicht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany