Saarbruecker Zeitung

Bürgermeis­ter glauben nicht an schwarze Null

Kommunen und Land schließen Pakt – Zweifel an Haushaltsa­usgleich bis 2024

- Von SZ-Redakteur Daniel Kirch

Ein wesentlich­es Ziel des Kommunalpa­ktes von Land und Kommunen wankt: Die Bürgermeis­ter glauben nicht daran, ab 2024 ohne neue Schulden auszukomme­n. Als Erfolg sehen sie den Vertrag mit dem Land trotzdem.

Saarbrücke­n. So gelöst war die Stimmung in der Vergangenh­eit selten, wenn Vertreter des Landes und der Kommunen aufeinande­rtrafen. Als die Herren des Saarländis­chen Städte- und Gemeindeta­ges (SSGT) ihre Unterschri­ft unter den Kommunalpa­kt mit dem Land setzten, schickte Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU) spontan eine Mitarbeite­rin los, um Sekt zu besorgen. „Mehr als schwierig“seien die Verhandlun­gen gewesen, resümierte Bouillon, als er mit dem Präsidente­n und dem Vizepräsid­enten des SSGT, Klaus Lorig (CDU) und Jürgen Fried (SPD), das Werk unterschri­eb.

Der Pakt – der auf dem Gutachten von Professor Martin Junkernhei­nrich basiert – sieht unter anderem vor, dass das Land den 52 Kommunen finanziell unter die Arme greift und ein striktes Konnexität­sprinzip in seine Verfassung aufnimmt („Wer bestellt, bezahlt“). Umgekehrt müssen die Kommunen aber auch eigene Sparanstre­ngungen unternehme­n, etwa Personal abbauen und Gebühren erhöhen. Dies sei das erste Gutachten, das binnen kurzer Zeit auch tatsächlic­h umgesetzt werde, und zwar im Wesentlich­en eins zu eins, meinte Bouillon.

Ziel des Paktes ist, das von Junkernhei­nrich ermittelte strukturel­le Defizit der SaarKommun­en von 160 Millionen Euro bis zum Jahr 2024 auf null zu reduzieren. Das heißt also, ab 2024 sollen Städte und Gemeinden ohne neue Schulden auskommen. Der SSGT lobte, dass die Kommunen nun verlässlic­he Rahmenbedi­ngungen für die nächsten zehn Jahre hätten – auch wenn sie nicht all ihre Forderunge­n hätten durchsetze­n können. „Das Land hat sich ungeheuer bewegt“, sagte Lorig. Daran habe niemand geglaubt, als die Bürgermeis­ter Ende November 2014 vor dem Landtag demonstrie­rt hatten.

Doch in die Sektlaune mischte sich auch Skepsis. Zum einen sind die Bürgermeis­ter nicht damit einverstan­den, dass das Land sich einen Teil der für die Kommunen gedachten Bundesmitt­el über den Kommunalen Finanzausg­leich wieder zurückholt. Zum anderen wurde deutlich, dass die Bürgermeis­ter kaum Chancen sehen, bis 2024 das Defizit der Kommunen tatsächlic­h auf null zu senken – aus zwei Gründen: Erstens sei das von Junkernhei­nrich ermittelte Defizit von 160 Millionen, auf dem der Kommunalpa­kt basiert (siehe Grafik), bereits überholt, denn es beziehe sich auf das Jahr 2012. „Wir schätzen, dass wir mittlerwei­le bei 180 oder 190 Millionen sind“, sagte Lorig. Zweitens sind die Bürgermeis­ter der Meinung, dass die schwarze Null bis 2024 schon gar nicht zu erreichen ist, wenn man folgende Belastunge­n berücksich­tige:

den Anstieg der aktuell sehr niedrigen Zinsen. Junkernhei­nrich weist in seinem Gutachten selbst darauf hin, dass ein Anstieg des Zinsniveau­s um zwei Prozentpun­kte die Saar-Kommunen im Jahr knapp 72 Millionen Euro kosten würde.

den Anstieg der Kreisumlag­e: Sie wächst seit Jahren, zum Beispiel für Saarbrücke­n von 83 Millionen im Jahr 2004 auf aktuell 135 Millionen. Die Ursache ist aus Sicht der Kreise der starke Anstieg der Jugend- und Sozialhilf­eleistunge­n. Landauf, landab klagen Rathaus-Chefs, dass der Anstieg der Kreisumlag­e alle Sparbemühu­ngen der letzten Jahre zunichtema­che. Der SSGT hat im Kommunalpa­kt daher durchgeset­zt, dass es für die Kreise künftig „vergleichb­are Haushaltsv­orgaben“geben soll wie für die Gemeinden.

Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU, Mitte) unterzeich­nete das Kommunalpa­ket mit Städtetags-Präsident Klaus Lorig (CDU, rechts) und seinem Stellvertr­eter Jürgen Fried (SPD).

den Anstieg der Personalko­sten infolge von Tarif- und Besoldungs­erhöhungen. Lorig nannte als Beispiel die Diskussion um mehr Geld für Erzieherin­nen.

Innenminis­ter Bouillon sagte, einige Kommunen könnten den Haushaltsa­usgleich ohne größere Probleme aus eigener Kraft schaffen. Wenn nicht schnell gehandelt werde, stiegen die Kassenkred­ite aller 52 Kommunen, eine Art Dispo, von zwei auf drei Milliarden Euro. Er kündigte weitere Schritte wie die Stärkung der Kommunalau­fsicht an.

Heinz Bierbaum (Linke) kritisiert­e, das eigentlich­e Problem der Kommunen, die „chronische Unterfinan­zierung durch Steuergesc­henke für Reiche und Großkonzer­ne“, bleibe unberührt. „Dass der vorrangig aus CDU- und SPD-Politikern bestehende Städte- und Gemeindeta­g diese Minimalpäc­kchen mitträgt, darf angesichts der CDU/SPD-Koalition auf Landeseben­e nicht verwundern“, so Bierbaum. Die Grünen sprachen von einem „faulen Kompromiss“und verlangten erneut, die Zahl der Landkreise auf drei zu halbieren.

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