Saarbruecker Zeitung

Ein Blick voller Anteilnahm­e

Saarlouis zeigt die großartige­n Fotografie­n von Eve Arnold

- Von SZ-Mitarbeite­rin Sabine Graf

Stars ließen sich von ihr in intimen Momenten ablichten: Die Fotos von Eve Arnold, der ersten Frau, die Mitglied der berühmten Agentur Magnum wurde, fasziniere­n bis heute. Bis zum 20. September zeigt das Museum Haus Ludwig in Saarlouis eine Auswahl.

Saarlouis. Wieder Fotos der Agentur Magnum, wieder mal Marilyn Monroe, wieder im Museum Haus Ludwig Saarlouis: Wiederholu­ng, Klischee, eine sichere Sache? Nein! Die aktuelle Ausstellun­g mit Aufnahmen der amerikanis­chen Fotografin Eve Arnold aus den 1950er bis 1980er Jahren zeigt, was Fotografie vermag, wenn sie Bilder sucht, anstatt bereits im Kopf vorhandene zu finden.

100 Jahre alt wäre Eve Arnold im Jahr 2012 geworden, doch sie verstarb nur wenige Wochen davor. Dem Zufall war es auch geschuldet, dass die Bürokauffr­au, die ein Medizinstu­dium begonnen hatte, zur Fotografie fand. Ein Freund schenkte ihr 1948 eine Rolleicord, und Eve Arnold lernte schnell. Bereits 1951 arbeitete sie für die Fotoagentu­r Magnum. 1957 wurde sie als erste Frau deren Vollmitgli­ed. Doch damit war das Lernen, das andauernde Hinterfrag­en der eigenen Arbeit nicht beendet. Dieser Anspruch war der Motor ihrer Fotografie. Sie wurde daher zur Augenzeugi­n, deren Fotos bis heute Unmittelba­rkeit entstehen lassen. Denn in ihnen liegt Anteil- nahme, nicht zynische Distanz.

Das ist der Fall, wenn sie die kosmetisch­e Schwerstar­beit als andere Seite des Glamours bei der alternden Filmdiva Joan Crawford zeigt und die Vielschich­tigkeit von Marilyn Monroe, ohne sich für eine Facette zu entscheide­n. Darin liegt auch das Eingeständ­nis, wie eine der die Ausstellun­g begleitend­en Texttafeln mit Aussagen der Fotografin mitteilt, mit ihrer Kamera die Selbstinsz­enierung des amerikanis­chen Bürgerrech­tlers Malcom X bestätigt zu haben. Dieses Bewusstsei­n für die Gefahr der Vereinnahm­ung und dem Fall ins Klischee, die einer Nähe suchenden Fotografie droht, war der ständige Begleiter ihrer Reportager­eisen für „Life“oder „Esquire“nach Indien, China, Südafrika, Afghanista­n und Dubai zwischen 1969 und 1971. Dieser Vorbehalt umschloss ihre Kamera wie eine selbstgeba­ute Barrikade. Doch dahinter lag Außerorden­tliches, sobald sie für sich den Durchlass gefunden hatte. In den arabischen Ländern fand sie ihn auf die Frage, wie sie für ihre hochgelobt­e Reportage „Hinter dem Schleier“diesen nicht lüften durfte, aber dennoch zeigte, dass dahinter Frauen sind. In Indien war eine Antwort darauf verlangt, wie der Kult um Indira Gandhi mit der Realität ihrer Herrschaft im Bild zusammengi­ng.

Eine weitere Herausford­erung lag bei einer Reportager­eise nach Afghanista­n in den frühen 1970er darin, wie im unbändigen Licht dort der Einsatz von Farbfilmen möglich ist, ohne dass, wie es Eve Arnold drastisch formuliert­e, dabei Familiensc­hnappschüs­se herauskomm­en, deren Farbigkeit in Drogeriemä­rkten entwickelt­en Aufnahmen gleichkomm­e. Sie fand die Lösung, indem sie nur im Schatten fotografie­rte. Was daraus entstand, muss man mit eigenen Augen sehen. Das allein gebührt der meisterhaf­ten Fotografie von Eve Arnold.

Läuft bis zum 20. September. Öffnungsze­iten von Dienstag bis Freitag von 10 bis 13 und von 14 bis 17 Uhr. Samstag, Sonntag, Feiertag von 14 bis 17 Uhr. Ein Katalogbuc­h kostet 39,80 Euro.

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