Saarbruecker Zeitung

Wirtschaft­swunder hinterm Hauptbahnh­of

800 Jobs statt Gleisgewir­r – Das neuste Stück Malstatt hat Platz für Arbeit, Kunst und Freizeitfr­euden

- Von SZ-Redakteur Peter Wagner

Großstadt-Bahnhofsvi­ertel haben meist keinen guten Ruf. Die Leute denken dabei an billiges Amüsement, Ramschläde­n und schmuddeli­ge Ecken. Saarbrücke­n räumt mit solchen Vorstellun­gen auf. Das Quartier Eurobahnho­f ist ein bundesweit vorzeigbar­es Schmuckstü­ck.

Saarbrücke­n. Zwei, drei Discounter, ein Baumarkt oder ein Großkino plus 1000 Parkplätze – die Landeshaup­tstadt hätte es sich bei der Bebauung des Hauptbahnh­of-Nordportal­s leicht machen können. Nachdem sie 2005 etwa 90 000 Qua- dratmeter von der Bahn erworben hatte, entschied sie sich allerdings dafür, das Quartier mit hohem Aufwand und EU-Fördergeld kleinteili­g, bunt, urban und kreativ zu beleben.

Es sollte mit den Vorstellun­gen der Investoren wachsen, ein „multifunkt­ionales modernes Stadtquart­ier“werden. Großflächi­ger Einzelhand­el, Spielhalle­n, Vergnügung­slokale und Wohnbebauu­ng wurden per Satzung ausgeschlo­ssen.

Ein Gestaltung­shandbuch umfasst klare, nicht zu restriktiv­e Regeln für gute Architektu­r und Harmonie des großen Ganzen. Kein Gebäude ist unter zehn Meter und über 20 Meter hoch, geparkt wird vor al- lem im städtische­n Parkhaus, das 2014 öffnete. Um Blechwüste­n zu vermeiden, sind je 100 Quadratmet­er Grundstück nur anderthalb Stellplätz­e erlaubt.

Jens Düwel, Projektlei­ter der städtische­n Gesellscha­ft für Innovation und Unternehme­nsförderun­g (GIU), verweist stolz zehn Jahre nach Beginn der Entwicklun­g und acht Jahre nach Start der Erschließu­ng und Flächenauf­bereitung darauf, dass bis auf eine Ausnahme alle Flächen vermarktet oder reserviert sind. Es gebe in der ganzen Republik kein vergleichb­ares Quartier mit direktem Anschluss ans Fernnetz der Bahn und an die Autobahn.

Die GIU investiert­e nach seiner Auskunft 37 Millionen Euro, private Investoren gaben 32 Millionen Euro aus. 60 Unternehme­n bieten im Quartier Eurobahnho­f 800 Arbeitsplä­tze, vom Sternekoch Klaus Erfort, der hier ein Nebenlokal betreibt, über kleinfläch­igen Handel, Architekte­n, Kunsthand- werker und Künstler, die Kassenärzt­liche Vereinigun­g bis zum Medizin-Zentrum. Vier Themen prägen das Quartier: Mobilität (Hotel, Bahnhof, EMobil-Tankstelle­n), Freizeit (Fitness-Studio, bald baut eine Tanzschule), Kreativitä­t und Innovation/Dienstleis­tung mit Spezialric­htung Medizin. Kurios: Viele Saarbrücke­r wissen nicht, was sich dort getan hat.

Das städtische Parkhaus, bequem zu befahren und eins der günstigste­n in der Stadt (Tageshöchs­tpreis acht Euro), kennen viele Autofahrer nicht. Es erspart die Fahrt in die City. In Minuten ist man zu Fuß durch den Bahnhof an der Europa- Galerie und in der Bahnhofstr­aße.

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