Wirtschaftswunder hinterm Hauptbahnhof
800 Jobs statt Gleisgewirr – Das neuste Stück Malstatt hat Platz für Arbeit, Kunst und Freizeitfreuden
Großstadt-Bahnhofsviertel haben meist keinen guten Ruf. Die Leute denken dabei an billiges Amüsement, Ramschläden und schmuddelige Ecken. Saarbrücken räumt mit solchen Vorstellungen auf. Das Quartier Eurobahnhof ist ein bundesweit vorzeigbares Schmuckstück.
Saarbrücken. Zwei, drei Discounter, ein Baumarkt oder ein Großkino plus 1000 Parkplätze – die Landeshauptstadt hätte es sich bei der Bebauung des Hauptbahnhof-Nordportals leicht machen können. Nachdem sie 2005 etwa 90 000 Qua- dratmeter von der Bahn erworben hatte, entschied sie sich allerdings dafür, das Quartier mit hohem Aufwand und EU-Fördergeld kleinteilig, bunt, urban und kreativ zu beleben.
Es sollte mit den Vorstellungen der Investoren wachsen, ein „multifunktionales modernes Stadtquartier“werden. Großflächiger Einzelhandel, Spielhallen, Vergnügungslokale und Wohnbebauung wurden per Satzung ausgeschlossen.
Ein Gestaltungshandbuch umfasst klare, nicht zu restriktive Regeln für gute Architektur und Harmonie des großen Ganzen. Kein Gebäude ist unter zehn Meter und über 20 Meter hoch, geparkt wird vor al- lem im städtischen Parkhaus, das 2014 öffnete. Um Blechwüsten zu vermeiden, sind je 100 Quadratmeter Grundstück nur anderthalb Stellplätze erlaubt.
Jens Düwel, Projektleiter der städtischen Gesellschaft für Innovation und Unternehmensförderung (GIU), verweist stolz zehn Jahre nach Beginn der Entwicklung und acht Jahre nach Start der Erschließung und Flächenaufbereitung darauf, dass bis auf eine Ausnahme alle Flächen vermarktet oder reserviert sind. Es gebe in der ganzen Republik kein vergleichbares Quartier mit direktem Anschluss ans Fernnetz der Bahn und an die Autobahn.
Die GIU investierte nach seiner Auskunft 37 Millionen Euro, private Investoren gaben 32 Millionen Euro aus. 60 Unternehmen bieten im Quartier Eurobahnhof 800 Arbeitsplätze, vom Sternekoch Klaus Erfort, der hier ein Nebenlokal betreibt, über kleinflächigen Handel, Architekten, Kunsthand- werker und Künstler, die Kassenärztliche Vereinigung bis zum Medizin-Zentrum. Vier Themen prägen das Quartier: Mobilität (Hotel, Bahnhof, EMobil-Tankstellen), Freizeit (Fitness-Studio, bald baut eine Tanzschule), Kreativität und Innovation/Dienstleistung mit Spezialrichtung Medizin. Kurios: Viele Saarbrücker wissen nicht, was sich dort getan hat.
Das städtische Parkhaus, bequem zu befahren und eins der günstigsten in der Stadt (Tageshöchstpreis acht Euro), kennen viele Autofahrer nicht. Es erspart die Fahrt in die City. In Minuten ist man zu Fuß durch den Bahnhof an der Europa- Galerie und in der Bahnhofstraße.