Saarbruecker Zeitung

Von Beginn an angriffslu­stig

Dortmunds Trainer Tuchel kündigt Jagd auf Top-Clubs an – Andere Mannschaft­en sollen „uns ständig spüren“

- Von Thomas Nowag und Jens Diestelkam­p (sid)

Thomas Tuchel hat das Erbe von Jürgen Klopp angetreten. Seinen Vorgänger beim Fußball-Bundesligi­sten Borussia Dortmund ehrte er in höchsten Tönen. Der neue BVB-Trainer grenzte sich jedoch von ihm ab und kündigte eine besondere Hingabe an.

Dortmund. Der lange Schatten Jürgen Klopps holte Thomas Tuchel umgehend ein. Als der neue Trainer von Fußball-Bundesligi­st Borussia Dortmund vor seiner Präsentati­on durch das Vereinsmus­eum zur Pressekonf­erenz ging, liefen dort gerade Bilder der letzten BVB-Meisterfei­ern, und die Meistersch­ale und der DFB-Pokal grüßten als Nachbildun­g aus den Vitrinen. „Jürgen war weit mehr als ein Trainer“, sagte Tuchel – und war im Blitzlicht- Gewitter kaum zu hören. Seine folgende Ansage aber war unmissvers­tändlich: Es beginnt eine neue Ära – mit seiner Prägung.

Stilbilden­de Werte „Wir werden eine besondere Hingabe entwickeln. Wir werden eine besondere Haltung annehmen, von Leistungsb­ereitschaf­t durchdrung­en“, kündigte Tuchel mit eindringli­chem Blick an. Stilbilden­de Werte seien „Fleiß, Bescheiden­heit, Mut und Offenheit. Ich möchte, dass die anderen Mannschaft­en uns ständig spüren“. Tuchel kam beschwingt­en Schrittes im dunklen Pullover aus seinem Sabbat-Jahr – mit der Figur eines Marathon-Läufers. Er wirkte asketisch, fast ausgezehrt. Seine Worte aber waren überzeugen­d, tiefgehend. Sie ließen erkennen, warum Tuchel Fußball-Profis mitreißen kann.

„Adrenalin“stand auf einer Getränkedo­se auf seinem Pult. Und Tuchel war in jenem „Kampfmodus“, den BVB- Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke vier Tage nach der 1:3Niederlag­e im DFB-Pokalfinal­e gegen den VfL Wolfsburg ausgerufen hatte. Tuchel sieht die Dortmunder als Jäger, als „Herausford­erer in allen Wettbewerb­en, auch für die nationale Spitze“. Diese habe sich erweitert, sei nicht nur Bayern München, sondern auch Borussia Mönchengla­dbach, Bayer Leverkusen und Wolfsburg. „Ich gehe davon aus, dass wir einen kleinen Rückstand haben, diese vier waren in Hin- und Rück- runde die besten Mannschaft­en. Sie haben gelernt, in Serie zu gewinnen“, sagte er. Dies will Tuchel auch seiner Mannschaft beibringen – „ohne Egoismen“.

Kraft und Motivation hat er aus seiner Pause gezogen, die ihn weit höher zu stellen schien, als es ihm nach fünf Jahren beim FSV Mainz 05 ohnehin zugestande­n hätte. „Das Leben war hart“, sagte Tuchel grinsend: „Ich bin ohne Uhr ins Bett gegangen, ohne Uhr wieder aufgestand­en, habe meine Kinder in den Kindergart­en gebracht.“Er habe gelernt, Zeit zu haben – für seine Familie, aber auch dafür, „überragend­e Gespräche mit beeindruck­enden Persön- lichkeiten nachklinge­n zu lassen“. Die Weltmeiste­rschaft? „Die ging fast komplett an mir vorbei.“Nun sind Lust und Gier zurückgeko­mmen – mit Wucht. „Ich freue mich riesig, hier Trainer zu sein“, sagte Tuchel, der einen Dreijahres­vertrag unterschri­eben hat. Genauso lange hätte Klopps Vertrag noch Gültigkeit besessen, aber der ist ja nun Teil der BVB-Historie und macht selbst ein Sabbat-Jahr. Balljagd mit welchem Personal? Der Spielstil wird womöglich noch an Klopp erinnern. Eine Balljagd soll es werden, dominant, angriffsor­ientiert, mit schnellem Umschalten. Mit welchem Personal, wird sich zeigen. „Es gibt keinen Forderungs­katalog. Ich werde nicht am Videogerät urteilen, wer die Gruppe verlassen muss“, sagte Tuchel. Probleme gibt es reichlich: Die Torwart-Frage, und wie werden Ilkay Gündogan und Sebastian Kehl ersetzt? Am 30. Juli geht es in die EuropaLeag­ue- Qualifikat­ion, die für Tuchel „eine erhebliche Beeinträch­tigung“in der Vorbereitu­ng ist. Der Bundesliga-Auftakt ist am 14. August – 446 Tage nach seinem letzten Spiel mit Mainz. An diesem Tag beginnt der Kampf des Thomas Tuchel richtig. Auch der um einen eigenen Platz im BVB-Museum.

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FOTO: IMAGO Thomas Tuchel wirkte zu Beginn seiner Präsentati­on in Dortmund noch etwas verträumt – dann ließ er aber Angriffslu­st heraus.

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