Der Matador ist entthront
French Open: Djokovic fügt Nadal die zweite Niederlage im 72. Spiel in Paris zu
Eine Niederlage mit historischer Dimension: Erst zum zweiten Mal in elf Jahren verlor Rafael Nadal in Roland Garros ein Tennis-Spiel. Er sagt: „Das ist nicht das Ende.“Doch kann der Sandplatz-König tatsächlich nochmal auf seinen Thron zurückkehren?
Paris. Rafael Nadal hatte seine Kappe tief ins Gesicht gezogen, um den Schmerz in seinen glasigen Augen zu verbergen. Mit brüchiger Stimme versuchte er, sich und der Welt zu erklären, was da geschehen war auf dem „Court Philippe Chatrier“– seinem Wohnzimmer, in dem er zum schier unbezwingbaren Regenten aller Sandplätze aufgestiegen war. „Wenn du gegen jemanden spielst, der fast jedes Spiel gewonnen hat und selbst nicht konstant genug bist, dann ist es eine Option, dass dir genau das passiert“, sagte der neunmalige French- Open-Titelträger Nadal nach seinem Viertelfinal-Aus gegen Novak Djokovic, den unbestritten besten Spieler der Gegenwart.
Nadal hatte an diesem Mittwoch, seinem 29. Geburtstag, nicht nur ein Tennisspiel verloren. Er war im Viertelfinale der French Open eingeknickt „wie ein Strohhalm“, titelte die französische Sportzeitung „L’Equipe“. Nadal sei beim 5:7, 3:6 und 1:6 „buchstäblich weggeblasen“worden vom Sturm, den Djokovic entfacht hatte. Tatsächlich hatte dieser Sturm historische Ausmaße, denn erst einmal zuvor in elf Jahren war Nadal als Verlierer aus dem „Stade Roland Garros“geschlichen. Damals hatte der Schwede Robin Söderling Nadal aus dessen Paradies vertrieben. Ein Jahr später kam der Mallorquiner zurück, stärker und unbarmherziger als jemals zuvor.
Und heute? „Ich habe 2009 verloren. Das war nicht das Ende. Ich habe 2015 verloren. Auch das wird nicht das Ende sein“, sagte Nadal trotzig – und hämmerte sich und seinen Zuhörern eine Formel in den Kopf: „Ich werde zurückkommen. Ich werde zurückkommen und in Roland Garros spielen. Ich werde zurückkommen, und ich hoffe, dass ich dann auch wieder gewinnen werde. Ich werde mein Bestes geben, um wieder zu gewinnen.“
Djokovic, der vor dem Halbfinale morgen gegen den Briten Andy Murray nur noch zwei Siege von seinem ersten French- Open-Titel entfernt ist, warnte davor, Nadal abzuschreiben. „Wenn ihr eine Erinnerung braucht, wer er ist, schaut auf seine Karriere und auf die Grand Slams, die er gewonnen hat“, sagte der Serbe: „Er weiß genau, was er zu tun hat, wenn er am Boden liegt.“Djokovic erinnerte an Nadals Rückkehr 2013, als der Spanier nach achtmonatiger Verletzungspause in Paris und New York triumphiert hatte und erneut die Führung der Weltrangliste übernahm.
Und doch gibt es Zweifel, ob der Linkshänder diese Kraftanstrengung wiederholen kann. Selten zuvor hatte sich Nadal derart ergeben wie gegen Djokovic. Der „Matador aus Manacor“fügte sich seinem Schicksal, das ihn ab Montag auch in der Weltrangliste fallen lässt. Wahrscheinlich gehört Nadal erstmals seit April 2005 nicht mehr zu den besten zehn Spielern der Welt. Wie sagte Djokovic noch? „Am Ende des Tages ist er auch nur ein Mensch. Wie wir alle.“