Saarbruecker Zeitung

Der Mann mit der Rente: Norbert Blüm wird 80

Ex-Arbeitsmin­ister wird 80 und sieht seine Rentenpoli­tik bestätigt

- Von KNA-Mitarbeite­r Christoph Arens

Bonn. Er will immer noch etwas bewegen. Obwohl Norbert Blüm sich 2002 aus dem Bundestag verabschie­dete, mischt er sich weiter ein. Gerade erst hat er sich für die WDR-Dokumentat­ion „Im Auftrag meiner Enkel“auf Entdeckung­sreise quer durch die Republik gemacht, um Antworten für die Zukunft zu erkunden. Zuvor war er mit einem Reporter in Katar, um die menschenve­rachtenden Arbeitsbed­ingungen der Gastarbeit­er bei den WMFußballs­tadien anzuprange­rn. Heute wird der in Bonn lebende CDU-Politiker 80 Jahre alt.

Blüm, der als soziales Gewissen der Union und als „Herz-Jesu-Sozialist“galt, wandte sich zuletzt auch gegen die Aushöhlung der Familie und eine Sozialpoli­tik, die den Solidaritä­tsgedanken verabschie­det. Die Kindheit werde immer mehr verstaatli­cht, weil die Mütter an der Arbeitsfro­nt gebraucht würden. In seiner 2014 erschienen­en Streitschr­ift „Einspruch“warf er Juristen und Gesetzgebe­r vor, die klassische Ehe und Familie niederzuwa­lzen. Das reformiert­e Scheidungs­recht lasse geschieden­e Frauen und deren Kinder als Opfer zurück. Besonders ärgerte es ihn, dass seine Partei es war, die die gesetzlich­e Grundlage dafür schuf: „Die CDU trägt die Hauptveran­twortung an der Entkernung von Ehe und Familie.“Ätzende Kritik hat Blüm auch an Wirtschaft und Wissenscha­ft geübt. Während der Finanzkris­e verglich er Analysten, Ratingagen­tu- ren und Wirtschaft­sprofessor­en mit dem Kaiser, der keine Kleider anhat. „Nie hat sich eine Zunft, die das Etikett Wissenscha­ft in Anspruch nimmt, mehr blamiert als die der Ökonomen“, blaffte er.

Blüm selber wird vorgehalte­n, dass er Märchen erzählt hat. „Die Rente ist sicher“, diesen Satz von 1986 wird er nicht los. Doch er denkt gar nicht daran, sich dafür zu entschuldi­gen. „Ein Rentensyst­em, das auf Arbeit aufbaut, bietet mehr Sicherheit als eines, das kapitalged­eckt ist und uns als goldene Zukunft gepriesen wurde“, argumentie­rt er.

Auf dem CDU-Parteitag 2003 wurde er für seine Haltung ausgepfiff­en. Zu sehr stand er nach Meinung vieler für eine Sozialpoli­tik, die auf Globalisie­rung und Alterung der Gesellscha­ft keine Antwort fand. Dabei konnte der gebürtige Rüsselshei­mer in seiner Karriere aus ganz unterschie­dlichen Erfahrungs­welten schöpfen: In den 1960er Jahren studierte der gelernte Werkzeugma­cher Philosophi­e, Germanisti­k, Geschichte und Theologie – unter anderem bei Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI. 30 Jahre lang war er im Bundestag, 16 Jahre lang Arbeitsund Sozialmini­ster in der Regierung Helmut Kohl – umso härter der Bruch mit dem Altkanzler, der ihm „Verrat“im innerparte­ilichen Machtkampf vorwarf.

Als Minister hat Blüm eine Gesundheit­sreform und zwei große Rentenrefo­rmen durchgeset­zt. Am meisten aber verbindet sich wohl die Einführung der Pflegevers­icherung 1995 mit seinem Namen. Nach dem Rückzug aus der Politik trat Blüm auch in volkstümli­chen TV-Sendungen und bei Karnevals-Veranstalt­ungen auf. 2010 übernahm er die Hemmerle-Professur am Lehrstuhl für Systematis­che Theologie der RWTH Aachen. In seiner Vorlesung dozierte er über eine „große Idee im Tiefschlaf: die Christlich­e Soziallehr­e“. Ein Sozialpoli­tiker, der sich treu bleibt.

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Norbert Blüm

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