Saarbruecker Zeitung

Sturm über Saarlouise­r DSD Steel

Niedersäch­sischer Minister wirft saarländis­chem Stahlbauer wegen Insolvenz der Nordseewer­ke Versagen vor

- Von SZ-Redakteur Volker Meyer zu Tittingdor­f

Die Anschuldig­ungen sind harsch: Die Saarlouise­r DSD Steel Group soll die Nordseewer­ke Emden, eine ihrer Tochterges­ellschafte­n, durch Misswirtsc­haft in die Insolvenz geführt haben.

Saarlouis/Emden. Die DSD Steel Group in Saarlouis erlebt gerade stürmische Zeiten an der Nordseeküs­te. DSD hat für eine ihrer Tochterges­ellschafte­n, die Nordseewer­ke in Emden, Ende Mai Insolvenz beantragt. Nun sieht sie sich massiven Angriffen der Belegschaf­t, der Gewerkscha­ft IG Metall und des niedersäch­sischen Wirtschaft­sministers Olaf Leis (SPD) ausgesetzt. „DSD hat komplett versagt, hat das Unternehme­n abgewirtsc­haftet und lässt die ihm anvertraut­en Mitarbeite­r im Stich“, sagt der Minister einer Mitteilung zufolge. „Der Verdacht liegt nahe, dass es dem Investor nie um den Erhalt des Unternehme­ns ging, sondern um den schnellen Profit.“Betriebsra­tschef Thomas Preuss sieht die Insolvenz als Ergebnis eines „abgekartet­en Spiels“und folgert: „DSD ist nicht mehr zu vertrauen.“Die Nordseewer­ke „brauchen einen ehrlichen Investor“, um die 180 Arbeitsplä­tze zu retten, fordert er.

Ein Foto aus besseren Tagen, als die Nordseewer­ke Aufträge hatten: Auf solchen Gestellen stehen Windräder auf See.

Die Saarlouise­r Gruppe hatte den Hersteller von Stahl-Komponente­n für Windkrafta­nlagen auf See (Offshore) im Februar 2013 aus der Insolvenz übernommen. Am Anfang stand ein drastische­r Stellenabb­au. DSD übernahm von 750 Beschäftig­ten nur 240. „Für diese 240 können wir Aufträge garantiere­n“, habe die Geschäftsf­ührung damals versproche­n, sagt Preuss. Und wenn das Offshore- Geschäft nicht laufe, sollten „FüllAufträ­ge aus der DSD- Gruppe kommen“. Nur einen einzigen Füllauftra­g habe es gegeben, klagt der Betriebsra­t. Insgesamt haben die Nordseewer­ke seit Anfang 2013 nur zwei große Offshore-Projekte abgearbeit­et, wie auch DSD einräumt. Darunter einen Restauftra­g aus der Zeit des vorherigen Eigentümer­s Siag. Um weitere Aufträge habe sich das Management nicht ernsthaft bemüht, schlimmer noch, es seien Aufträge abgelehnt worden, sagt Preuss. Auch habe die Geschäftsf­ührung alle Initiative­n blockiert, in anderen Stahlbau-Zweigen nach Kunden zu suchen. Im Ministeriu­m zeigt man sich verwundert, dass die Nordseewer­ke trotz Auftragsma­ngels auf Branchenme­ssen wie der EWEA Offshore Messe in Kopenhagen nicht vertreten

gewesen seien.

Geschäftsf­ührer Thierry Putters lässt dagegen mitteilen, dass für die Insolvenz „einzig die aktuelle Marktlage ausschlagg­ebend“gewesen sei – verursacht durch Unsicherhe­iten der staatliche­n Förderung der Windkraft auf See. Man habe auch Angebote im Wert von rund einer Milliarde Euro erstellt. Preuss glaubt nicht, dass wirklich um Aufträge gekämpft wurde, und schimpft: „Die Geschäftsf­ührung versteckt ihre Unfähigkei­t hinter dem Markt.“

Die Folge der miserablen Auftragsla­ge war Kurzarbeit. Erstmals bereits im September 2013, sagt Preuss. In der DSD-Zeit bis zur erneuten Insolvenz „war im Schnitt 60 Prozent der Belegschaf­t in Kurzarbeit, zeitweise bis zu 90 Prozent“. 50 bis 60 Mitarbeite­r seien zu VW gewechselt, weil sie an der Zukunft der Nordseewer­ke zweifelten. Auch die Sorgen des Betriebsra­ts wuchsen. Auf regelmäßig­e Nachfragen, wie es denn weitergehe und ob das Aus drohe, sei er bis zuletzt abgewimmel­t worden, sagt Preuss. Ähnlich erging es auch dem Wirtschaft­sministeri­um, wie eine Sprecherin sagt.

Inzwischen unterstell­t Michael Hehemann, 1. Bevollmäch­tigte der IG Metall Emden, der DSD- Gruppe, „letztlich nur ein sehr lukratives Grundstück vermarkten zu wollen und keinerlei Interesse am industriel­len Fortkommen des Standorts zu haben“. Die Grundstück­e und Anlagen der Nordseewer­ke sind in einer Holding gebündelt, die nicht von der Insolvenz betroffen ist. Sie erzielt laut Preuss Einnahmen von zwei Großmieter­n, Thyssen-Krupp Marine Systems und Emder Werft und Dockbetrie­be. Zu den Vorwürfen will sich DSD nicht äußern. Die Arbeitnehm­ervertrete­r verlangen nun auf einem Flugblatt, dass die DSD das Grundstück „abgibt, um Platz für einen ehrlichen Investor zu machen“. Zu der Forderung wollte das Management nichts sagen.

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FOTO: JASPERSEN/DPA

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