Saarbruecker Zeitung

Seehofers Sonderwege

Merkel darf sich beim Betreuungs­geld nicht erpressen lassen

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Der Druck, den Horst Seehofer nun auf seine Berliner Koalitions­partner aufbaut, ist enorm. Es geht um seine Gesichtswa­hrung und die Ehrenrettu­ng seiner Partei, die sich mit dem Betreuungs­geld total verrannt hat. Das jedenfalls hat Karlsruhe ihr ins Stammbuch geschriebe­n, mit einer glasklaren Entscheidu­ng. So wird es auch bei der Pkw-Maut sein, wo dringend zu raten ist, lieber eine endgültige rechtliche Klärung abzuwarten, ehe hier wieder ein christsozi­ales Schülerexp­eriment mit anschließe­nder Verpuffung gestartet wird.

Die CSU macht ihren Freistaat in Deutschlan­d zu dem, was die Briten in Europa sind. Reich, eigensücht­ig und manchmal skurril. Auch bei den großen Themen wie Energiewen­de, Flüchtling­spolitik und Länderfina­nzausgleic­h geht München konsequent Sonderwege. Das ist Parteistra­tegie. Vielleicht setzt Horst Seehofer jetzt sogar die große Koalition für das neue bayerische Betreuungs­geld aufs Spiel und droht mit einem „Bayxit“aus der gemeinsame­n Regierung. Zuzutrauen ist es ihm. Aber weder Angela Merkel noch Sigmar Gabriel dürfen sich ein zweites Mal erpressen lassen.

Die CDU hat die verquere Prämie für die Nichtnutzu­ng einer öffentlich­en Einrichtun­g schon wider eigene Überzeugun­g eingeführt, die SPD sie geduldet. Man war koalitions­treu genug. Das Geld wirkt übrigens für viele Kinder wie eine Fernhaltep­rä-

GLOSSE mie von Bildung. Jetzt ist klar: Der Bund hätte das gar nicht gedurft. Bildung ist Länderhohe­it, also sind es auch bildungspo­litische Dummheiten. Deshalb: Keinen Bundes-Cent für den bayerische­n Sonderweg, auch nicht über Umwegfinan­zierungen. Wolfgang Schäubles Haushalt ist nicht dafür da, das spezielle Familienbi­ld einzelner Landesfürs­ten zu bezahlen.

Die CSU kommt jetzt mit dem Tränendrüs­en-Argument der gefährdete­n Wahlfreihe­it der Eltern. Die Entstehung­sgeschicht­e des Betreuungs­geldes beweist, dass es genau andersheru­m ist. Die Idee entstand als CSU-Retourkuts­che auf den von der CDU im Jahr 2007 forcierten Krippenaus­bau, den die SPD um einen Rechtsansp­ruch auf Betreuung ergänzte. Damit wurde die Wahlfreihe­it erst hergestell­t, vor allem in westdeutsc­hen Flächenlän­dern wie Bayern, deren Angebot zuvor erbärmlich war.

Schade ist es um die Familien, die mit den 150 Euro gerechnet haben. Und schade wäre es auch, wenn das Geld jetzt in andere Bereiche flösse. Wer Kinder hat, kann jede Hilfe brauchen. Deshalb sollte die Milliarde, die nun frei wird, aufgeteilt werden: Ein Teil für den weiteren Ausbau von Krippen, vor allem für die Qualität der Betreuung. Ein anderer Teil als zusätzlich­e finanziell­e Unterstütz­ung in den ersten drei Jahren. Ganz unabhängig von der Art der Betreuung. Denn es geht um die Familien. Nicht um Horst Seehofer.

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Von Werner Kolhoff

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