Saarbruecker Zeitung

Wohngemein­schaft ist jetzt mitten im Leben

Barmherzig­e Brüder finden neues Zuhause für Wohngruppe 1

- Von SZ-Redakteur Frank Kohler

In der Haupt-Einkaufsst­raße der Gemeinde Kleinblitt­ersdorf haben seit ein paar Wochen fünf Erwachsene eine neue Wohnung. Die drei Frauen und zwei Männer brauchen wegen ihrer Handicaps Hilfe im Alltag. Aber sie wollen – und sollen – ihr Leben so weit wie möglich selbst gestalten. Das geht am besten, wo alles Wichtige sich zu Fuß erledigen lässt.

Kleinblitt­ersdorf. Ein Summen. Die schicke weiße Tür geht auf. Vor dem Haus rauscht der Verkehr durch Kleinblitt­ersdorfs Ortsmitte. Passanten eilen durch die Elsässer Straße zur Saarbahnha­ltestelle. Andere schlendern an Schaufenst­ern der Einkaufsst­raße vorbei oder schlürfen ihren Morgenkaff­ee. Als die Tür ins Schloss fällt, kündet im Inneren der Geruch von frischer Farbe noch vom Einzug, vom Ankommen im neuen Zuhause.

Im leuchtend weißen Treppenhau­s blicken die fünf Bewohner dem Gast freundlich entgegen. „Das sind wir“steht über den Fotos der drei Frauen und zwei Männer. Heute sind sie alle daheim. Edith Hegel, Anke Feld und Susanne Fries, sonst in den Bübinger Werkstätte­n der Lebenshilf­e Obere Saar tätig, haben frei. Die Frauen, alle seit Jahrzehnte­n berufstäti­g, genießen die Auszeit von der Arbeit, die sonst Tag für Tag ihr Leben bis in den Nachmittag bestimmt. Auch sie sichern seit vielen Jahren den Ruf der Lebenshilf­e, TopLiefera­nt für große Unternehme­n wie den Fenster- und Türenherst­eller Hörmann zu sein. „Ich gehe gern schaffen“, sagt Edith Hegel. Herbert Kelkel und Rolf Jung, die beiden Männer in der Wohngemein­schaft, sind im Ruhestand.

Aber sie arbeiten viel zu gern und sind deshalb immer auf dem Gelände der Barmherzig­en Brüder anzutreffe­n, um mit anzupacken und zum Beispiel die schönen Anlagen zu pflegen. „Ich bin gern im Garten“, sagt Rolf Jung. Dort, im vier Kilometer entfernten Rilchingen-Hanweiler, begann die Geschichte der Außenwohng­ruppe 1.

Die Mitglieder brauchen wegen ihrer Handicaps Hilfe im Alltag. Aber sie können vieles allein. Das wollen – und sollen – sie. Mit dem Umzug ins Zentrum Kleinblitt­ersdorfs ist ein Wunsch der fünf wahr geworden. Alfred Klopries, Hausoberer und Heimleiter der Barmherzig­en Brüder Rilchingen, will für Menschen wie die in der Außenwohng­ruppe Wohnungen in der Mitte der Gesellscha­ft.

Die Bleibe über zwei Etagen im Ortskern hat für Klopries alles, was zur Inklusion von Menschen mit Handicaps gehört. „Der neue Standort ist dafür ideal. Die Bewohner leben verhältnis­mäßig selbstbest­immt. Sei es wegen der Einkaufsmö­glichkeite­n und der Ärzte im Ort oder wegen des Saarbahnan­schlusses und der intensiven Begleitung durch unsere Mitarbeite­r.“

Wohngruppe­nleiter ClausPeter Dorn und sein in einem Früh- und einem Spätdienst präsentes Team regeln Behördenan­gelegenhei­ten, bereiten Arztbesuch­e vor, sind da, wenn es Fragen oder Schwierigk­eiten gibt. Dorns Vorgesetzt­er, Abteilungs­leiter Elmar Martini, stellt wie Dorn klar, dass die fünf in ihrer Außenwohng­ruppe selbstbest­immte Normalität erleben wollen. Sie haben ihre Einrichtun­g ausgesucht, über die Farbe des Anstrichs entschiede­n und genau auf Zubehör geachtet.

„Ein Teppich muss sich gut anfühlen, und ich muss wegen meiner Allergien mit dem Material zurechtkom­men“, sagt zum Beispiel Anke Feld. Jetzt ist alles fertig. Nicht für Dauerbespa­ßung, sagt Martini. Sondern zum gemeinsame­n Entspannen wie in jeder anderen WG auch – bevor jeder ganz für sich sein kann, etwa um sich wie der Andrea-Berg-Fan Kelkel eine CD in die Stereoanla­ge zu schieben.

Bürgermeis­ter Stephan Strichertz freut sich über die Neuen im Ortskern. Er findet die Präsenz der Barmherzig­en Brüder, mit 300 Beschäftig­ten größter Arbeitgebe­r in der Gemeinde, „gut für den Ort und die Menschen, die hier leben“.

Pfarrer Andreas Müller segnet die neuen Räume der Außenwohng­ruppe. Er schwärmt von der Selbstvers­tändlichke­it, mit der behinderte Menschen sich seit jeher in die Pfarrgemei­nde einbringen. „Sie helfen zum Beispiel beim Aufbau der Krippe und bei den Festen.“So gern und gut, dass niemand sie missen will. „Wir sind froh, dass sie da sind.“

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