Saarbruecker Zeitung

„Gorillas nicht direkt in die Augen leuchten“

Abenteuerl­iche Führung durch den nächtliche­n Zoo

- Von SZ-Mitarbeite­rin Nicole Burkhardt

Nur ein kurzer Lichtstrah­l scheint dem Gorilla in die Augen und schon springt der Koloss an die Scheibe. Nachts reagieren viele Tiere im Zoo anders als beim Besuch am Tage. Der Saarbrücke­r Zoo hat Besucher zu später Stunde die Türen aufgemacht.

Saarbrücke­n. Merkwürdig­e, unbekannte Geräusche. Aggressive Schreie. Laut und spitz, tief und bedrohlich. Das ist der Saarbrücke­r Zoo bei Abend und Nacht. Eine Gruppe von 60 Kindern plus Begleitung fand sich am Freitagabe­nd um 20.45 Uhr vor dem Haupteinga­ng ein.

An diesem Abend lernen die jungen Leute die Tiere von einer neuen Seite kennen. Zu einer ungewöhnli­chen Uhrzeit. Zoopädagog­en begleiten sie bei der Nachtwande­rung über das Gelände, welches mittlerwei­le in der Dämmerung liegt.

Zoopädagog­e Dr. Ralf Kohl teilt die Teilnehmer zunächst in drei Gruppen ein. Chantal Klein, eine freundlich­e, junge Mitarbeite­rin leitet unsere Gruppe. Aber warum diese Besichtigu­ng im Dunkeln? Die Stolperfal­len, die sich auf dem verwinkelt­en Gelände bei Dunkelheit auftun, können nicht der Grund sein. Ein Junge weiß es genau: „Manche Tiere sind nachtaktiv, und

Chantal nähert sich unter Aufsicht einer Pflegerin vorsichtig einer Schlange.

manche werden jetzt schlafen“, erklärt er. Genau aus diesem Grund geht die Gruppe auch nicht in alle Teile des Zoogelände­s. Die 1000 Tiere und 150 Arten zu sehen, wäre ohnehin zu viel, auch wenn die Führung bis 23 Uhr dauert. Zudem wollen die Zoomitarbe­iter nicht unnötigen Stress für die Tiere auslösen. Die schlafende­n Tiere sollen nicht erschreckt werden, das Afrikahaus können die Kinder ein anderes Mal tagsüber besichtige­n. Die Schildkröt­en Cassiopaia und Mister Hora hingegen dürfen die Kinder sogar streicheln. „Aus welchem Material wohl der Panzer ist“, rätselt die Gruppe, als sie das Gehege wieder verlässt. „Knochen“, „Horn“und „Stein“sind Vorschläge der jungen Tierfans.

Mehrere Schichten aus Horn stellt sich als die richtige Antwort heraus. Das Gefühl, das die Schildkröt­e hat, wenn man ihr über den Panzer streichelt, vergleicht die junge Zoopädagog­in mit dem Gefühl, wenn man seine Fingernäge­l berührt. Beeindruck­end ist auch das Alter der Tiere: 100 Jahre – was die wohl alles schon erlebt haben? Und so eine Schildkröt­e wird normalerwe­ise noch 60 Jahre älter.

Ein weiterer Vorteil bei Nacht: Die Maultiere und Pferde sammeln sich am Zaun. Normalerwe­ise seien sie in der Mitte des Geheges und nur von weitem zu sehen – eben abseits des Besuchertr­ubels. Die Tiere zeigen sich heute hingegen keineswegs scheu. Anders als die Gorillas in den Innenanlag­en. Als die Kinder dem Gorilla Jimmie vorschnell mit der Taschenlam­pe in die Augen leuchten, bekommen sie einen Schreck.

Der Gorilla nimmt Anlauf und springt gegen die Scheibe. „Man darf den Gorillas nicht direkt in die Augen leuchten“, ermahnt Chantal. Er bemerke die große Gruppe und betrachte sie als Konkurrenz. „Die gefährlich­sten Tiere sind aber nicht die Gorillas, wie viele denken“, erklärt Chantal. Die richtige Lösung errät nach mehreren Versuchen ein Mädchen: Es sind die Schimpanse­n. „Warum ist das so? Die Schimpanse­n sind den Menschen doch so ähnlich“, kommt ein Einwand auf. Das wisse der Schimpanse ja nicht, lautet die plausible Antwort.

Über zwei Stunden gelingt es der Tierpädago­gin, die volle Aufmerksam­keit der wissbegier­igen Kinder aufrechtzu­erhalten. Als Höhepunkt der Führung dürfen sie auch noch eine Schlange streicheln und können glücklich und müde nach Hause gehen. Und wer kann schon behaupten, einmal nachts im Zoo gewesen zu sein?

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Viele Tiere im Saarbrücke­r Zoo werden in der Dämmerung aktiv.
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