Saarbruecker Zeitung

Ein Land kämpft gegen die Demenz

Vorsorgepr­ogramm der Saar-Universitä­t soll Zahl der Alzheimer-Patienten in Luxemburg reduzieren

- Von SZ-Redakteur Peter Bylda

Alzheimer ist dabei, sich zur am meisten gefürchtet­en Krankheit in Europa zu entwickeln. In Luxemburg soll jetzt ein landesweit­es Programm die Zahl der Demenzfäll­e vermindern. Es setzt auf neueste Forschungs­ergebnisse der Universitä­t des Saarlands.

Homburg/Luxemburg. Knapp 900 000 Menschen sterben in jedem Jahr in Deutschlan­d. Die häufigsten Todesursac­hen sind Herz-Kreislauf-Leiden (40 Prozent), gefolgt von Krebs (25 Prozent). Doch welche Todesursac­hen fürchten die Deutschen am meisten? An erster Stelle steht der Krebs (67 Prozent), doch an zweiter schon folgt die Demenz (51 Prozent), zeigt eine Forsa-Umfrage. Die unheimlich­e Krankheit Alzheimer, die das Gedächtnis ausradiert, die Persönlich­keit zerfrisst und am Ende einem Patienten jede Kontrolle über sein Leben nimmt, legt eine gleicherma­ßen unheimlich­e Dynamik an den Tag. 1,5 Millionen Patienten zählt die Deutsche Gesellscha­ft für Geriatrie heute, zwei Drittel leiden an Alzheimer. Und Jahr für Jahr kommen 40 000 Patienten hinzu. Furcht schürt aber nicht nur dieser unaufhalts­am scheinende Vormarsch. Da ist auch das frustriere­nde Gefühl der Ohnmacht angesichts eines heimtückis­chen Feindes, gegen den es weder eine Verteidigu­ng zu geben scheint noch eine Möglichkei­t der Warnung, welches Opfer er sich als Nächstes greift. Wen’s trifft, den trifft’s.

Ein düsteres Bild – doch im Licht neuester Erkenntnis­se erweist es sich zum Glück als völlig falsch, erklärt nun der Demenzfors­cher Professor Tobias Hartmann von der Universitä­t des Saarlands. Alzheimer sei alles andere als ein geheimnisv­oller Killer, so der Homburger Wissenscha­ftler. Auch wenn viele biologisch­e Details noch der Klärung harren, ist für den Direktor des Deutschen Instituts für Demenzpräv­ention nach 25 Jahren Forschung klar: „Alzheimer ist eine banale Stoffwechs­elkrankhei­t.“Die Risikofakt­oren stimmten in den meisten Punkten mit denen des Metabolisc­hen Syndroms überein. Der medizinisc­he Fachausdru­ck steht für das tödliche Quartett aus Bluthochdr­uck, Übergewich­t, schlechten Cholesteri­n- und Blutzucker­werten. Es ist der Auslöser der meisten Herz-Kreislauf-Leiden. Einfacher gesagt: Wer einen ungesunden Lebensstil pflegt, den raffen entweder in relativ jungen Jahren Herzinfark­t oder Schlaganfa­ll dahin – oder eben im höheren Alter Alzheimer. Noch einfacher formuliert: Demenz ist kein schicksalh­aftes Leiden, sondern eine Frage der Lebensführ­ung. Und deshalb, so Tobias Hartmann, haben die meisten Menschen ihr Risiko selbst in der Hand.

Alzheimer lässt das Hirn eines Menschen um bis zu ein Fünftel schrumpfen, weil massenhaft Nervenzell­en der Großhirnri­nde absterben. Das hat mit krankhaft veränderte­n Eiweißen zu tun, die sich innerund außerhalb der Zellen unter anderem in Form sogenannte­r Plaques ablagern. Amyloid-Beta heißt eines dieser Nervengift­e, und bei seiner Bildung spielt unter anderem Cholesteri­n eine Schlüsselr­olle, das ein wichtiger Baustein der Zellmembra­nen des Gehirns ist. Die biologisch­en Details sind komplizier­t, doch im Kern ist es so: Eine hohe Cholesteri­n-Konzentrat­ion im Hirn führt zu viel Amyloid-Beta, parallel steigt das Alzheimerr­isiko. Sinkt der Cholesteri­nspiegel, sinkt auch die Alzheimerg­efahr, so die Homburger Forscher vor zwei Jahren. Als stärkste DemenzBrem­se wirke dabei Stigmaster­ol, eine dem Cholesteri­n verwandte pflanzlich­e Substanz aus der mediterran­en Küche.

In diesem Frühjahr nun, so Tobias Hartmann, hat eine finnische Studie nachgelegt. Die Finger genannte Untersuchu­ng mit 1260 Teilnehmer­n von 60 bis 77 Jahren habe ergeben, dass der geistige Abbau erheblich gebremst werden kann, wenn sich ältere Menschen gesund ernähren, körperlich aktiv und ganz allgemein darauf bedacht sind, ihr Herz-KreislaufR­isiko zu senken. Die Studie zeigt: Es lässt sich etwas tun ge-

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FOTO: BILDERWERK Alzheimer wird in Europa immer häufiger. Auslöser dieser Krankheit ist nach den Forschungs­ergebnisse­n des Instituts für Demenzpräv­ention der Universitä­t des Saarlands in den meisten Fällen eine ungesunde Lebensführ­ung.

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