„Wir können erste Anzeichen der Krankheit 30 Jahre vor ihrem Ausbruch erkennen.“
gen Alzheimer. Was genau im großen Maßstab geht, soll nun ein Präventionsprogramm in Luxemburg zeigen. Am 15. September startet eine mit 2,7 Millionen Euro finanzierte Aktion der Demenzvorsorge, die von den Alzheimer-Spezialisten der Saar-Uni wissenschaftlich betreut wird. Das Programm soll die Demenz verhindern oder zumindest verzögern, so Tobias Hartmann.
Alzheimer ist keine Krankheit, die plötzlich über einen Menschen kommt. Sie schleicht sich über viele Jahre ein und verursacht anfangs kaum Beschwerden. Erst in der letzten, bis zu neun Jahre dauernden Phase, treten alle Symptome voll zu Tage. Doch für eine Heilung ist es da zu spät, weil schon zu viele Hirnzellen zugrunde gegangen sind. „Wir müssen die Betroffenen identifizieren, bevor sie zu Patienten werden“, lautet das Credo des Homburger Wissenschaftlers. Und das ermöglichten heute moderne DiagnoseTechniken, bei denen die Struktur des Hirns und sein Energieverbrauch vermessen werden und das Hirnwasser untersucht wird. „Wir können erste Anzeichen der Krankheit 30 Jahre vor ihrem Ausbruch erkennen“, erklärt Tobias Hartmann.
Mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 bis 85 Prozent sei es möglich festzustellen, ob ein Mensch zur Alzheimer-Risiko-
Professor Tobias Hartmann, Saar-Uni gruppe gehört. Dann seien zwar erste Veränderungen im Hirn sichtbar – in diesem Stadium könne der Krankheitsprozess aber beeinflusst werden, ist der Forscher überzeugt. Alzheimer jetzt zu stoppen oder den Verlauf zu bremsen, ist das Ziel des Luxemburger Programms, das am Institut für Demenzprävention entwickelt wurde.
„Wir werden es mit älteren Menschen zu tun bekommen, die ihr Leben bisher nicht so gelebt haben, wie sie’s hätten tun sollen“, sagt Hartmann voraus. Die Luxemburger Ärzte und Alzheimer-Berater müssen damit auf eine Umstellung liebgewordener Lebensgewohnheiten ihrer Patienten hinarbeiten. Das wird nicht einfach, und dafür gibt es kein Patentrezept. Je nach persönlicher Situation ist eine Ernährungsumstellung angesagt, ein Sportprogramm oder ein Hirntraining. Auch soziale Kontakte seien wichtig.
Dass solche, angesichts der Verfahren der modernen Apparatemedizin simpel erscheinenden Therapien überraschend gut wirken, haben die gerade veröffentlichten Resultate der finnischen Finger-Studie gezeigt. „Das Gehirn braucht offenbar ständig Action“, schlussfolgert Tobias Hartmann. „Keinen Stress, aber stetig neue Herausforderungen.“
Das Luxemburger Anti-Alzheimer-Programm bündele „das gesamte weltweit vorhandene Know-how für den Patienten“, erklärt Hartmann. Für die Mitglieder der Luxemburger Krankenversicherung ist es kostenlos. Wenn sie ihren Arzt darauf ansprechen, kann der sie, falls in den Analysen Alzheimer-Anzeichen erkannt werden, an Spezialisten vermitteln. „Für jeden Teilnehmer wird ein individuelles Präventionsprogramm erarbeitet, bei dem ihn Fachleute jahrelang begleiten“, so Tobias Hartmann. Dafür werde das Institut für Demenzprävention sogenannte Memory Coaches ausbilden.
Das Anti-Alzheimer-Programm ist auf sechs Jahre angelegt. Wenn im Jahr 2021 Bilanz gezogen wird, wird es auch darum gehen zu berechnen, ob die Vorsorge fürs Gesundheitssystem Luxemburgs preiswerter kommt als Therapie und Pflege. „Wir gehen von Kosten unter 1000 Euro pro Patient aus“, so der Professor der Saar-Uni. Das wäre weniger als ein Zehntel dessen, was nach Schätzungen der Uni München Krankenund Pflegeversicherung in Deutschland ausgeben. Jedoch dürfe dieses Thema nicht auf die Frage nach Euro und Cent reduziert werden, so Tobias Hartmann. „Ich denke an die Menschen. Je früher ich einen Patienten erwische, desto größer ist die Chance, dass er nicht erkrankt.“