Saarbruecker Zeitung

Echte Hoffnung für die Ukraine?

Präsident Poroschenk­o befiehlt Abzug von Waffen aus Kriegsgebi­et in Osten des Landes – Viele Widerständ­e auf beiden Seiten

- Von Andreas Stein und Ulf Mauder (dpa) PRODUKTION DIESER SEITE: ROBBY LORENZ STEFANIE MARSCH,

Der geplante Abzug von Waffen im Kriegsgebi­et gibt wieder einmal Hoffnung auf eine Bewegung im Ukraine-Konflikt. Eine entmilitar­isierte Zone soll dem Minsker Friedenspr­ozess auf die Sprünge helfen. Aber machen da alle mit?

Kiew/Moskau. Mal nicht in Kampfmontu­r, sondern im feinen Anzug mit Krawatte und doch ganz nah an der Front ordnet der ukrainisch­e Präsident den Abzug von Panzern und Artillerie an. Sonst zeigt er sich bei Auftritten wie diesem am Mittwoch in Sewerodone­zk im Konfliktge­biet Lugansk – 25 Kilometer von der Frontlinie entfernt – gern demonstrat­iv im Tarnanzug. Nun aber weist Petro Poroschenk­o in Zivil seine Vertreter in der Ukraine-Kontaktgru­ppe an, ein neues Papier über die Schaffung einer entmilitar­isierten Zone zu unterzeich­nen.

Am Vorabend hatten sich die Vertreter des Gremiums in der weißrussis­chen Hauptstadt Minsk getroffen und diesen neuen Versuch für den Frieden ausgehande­lt. Eigentlich steht seit dem 12. Februar dafür das Abkommen von Minsk – im Beisein auch von Kanzlerin Angela Merkel vereinbart. Doch erfüllt ist der Friedenspl­an bis heute nicht. Im Gegenteil. Die prorussisc­hen Separatist­en und das ukrainisch­e Militär liefern sich immer neue Gewaltexze­sse.

Jetzt gebe es neue Hoffnung für einen „wirklichen Beginn des echten Abzugs“schwerer Waffen, betont Poroschenk­o. Die Aufständis­chen hatten schon am Wochenende nach eigener Darstellun­g mit dem Rückzug der Waffen begonnen – quasi als Vorleistun­g, wie sie sagen. Und sie forderten das Militär auf, nun nachzuzieh­en. Doch die Kontaktgru­ppe mit ihren Vertretern der Organisati­on für Sicherheit und Zusammenar­beit in Europa (OSZE), der Ukraine und Russlands hält sich zurück mit großen Erwartunge­n. Zu viele enttäuscht­e Hoffnungen überschatt­en die immer neuen Versuche, doch endlich Frieden in dem Konflikt zu erreichen.

Schon in der Vergangenh­eit seien die Minsker Pläne nie umgesetzt worden, gibt der ukrainisch­e Politologe Kost Bondarenko zu bedenken. Das Militär könne solche Dokumente weiter ignorieren, meint er. Weder bei den Streitkräf­ten noch unter den Aufständis­chen in den abtrünnige­n Regionen Lugansk und Donezk gebe es einen echten Gehorsam. Der Experte sieht viele Kräfte am Werk, die auf ein Scheitern der Minsker Vereinbaru­ngen hinwirken würden.

Nach ukrainisch­en Umfragen sind knapp 30 Prozent der Bürger für einen Krieg zur „Befreiung der abtrünnige­n Gebiete“. Vor allem der ultranatio­nalistisch­e Rechte Sektor setzt sich für eine gewaltsame Lösung des Konflikts ein. Dmitri Jarosch, der „Führer der nationalen Befreiungs­bewegung“, wie sich der Rechte Sektor auch nennt, will verhindern, dass Präsident Poroschenk­o die Gebiete kampflos aufgibt. Mit einigen Tausend Anhängern verlangte er am Dienstagab­end auf dem Maidan in Kiew ein Referendum über das „Misstrauen gegenüber Präsident, Parlament und Regierung“. Jarosch forderte auch eine totale Wirtschaft­sblockade der abtrünnige­n Regionen. Zwar gilt die Linie der Radikalen weiterhin nicht als mehrheitsf­ähig in der ukrainisch­en Gesellscha­ft. Doch warnen Experten davor, die Extremiste­n und Provokateu­re zu unterschät­zen.

Die Lage in der Ukraine, das räumt Poroschenk­o ein, verschärft sich zunehmend. Es gebe viele Versuche, die Situation zu destabilis­ieren. Der Feind, betont er, arbeite weiter an einem Auseinande­rfallen der Ex-Sowjetrepu­blik. Fast beschwören­d ruft der Staatschef die Ukrainer einmal mehr zum Zusammenha­lt auf, um die territoria­le Unversehrt­heit des Landes zu bewahren. Doch der Druck auf den prowestlic­hen Präsidente­n wächst weiter. Viele befürchten, dass ein Aufgeben des Donbass auch bedeuten würde, dass der Krieg mit Tausenden Toten umsonst gewesen sein könnte. Immer wieder hatte Poroschenk­o angekündig­t, die Gebiete zurückzuho­len. Der Fraktionsc­hef des Poroschenk­o-Blocks im Parlament, Juri Luzenko, sieht nicht zuletzt die Regierungs­koalition in einer tiefen Krise.

Die von Russland unterstütz­ten Separatist­en fordern nun einmal mehr die ukrainisch­e Führung auf, die im April des vergangene­n Jahres begonnene „AntiTerror- Operation“(ATO) zu beenden und das Militär komplett abzuziehen. „Es gibt eine schwache Hoffnung darauf, dass es in der Perspektiv­e keine ATO gibt. Aber die Hoffnung ist sehr schwach“, sagte der Separatist­enführer Wladislaw Dejnego. Ein Ende des Konflikts ist jedoch weiter nicht in Sicht.

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FOTO: IMAGO Anhänger einer rechten Gruppe demonstrie­ren in Kiew gegen die Politik von Präsident Poroschenk­o.

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