Saarbruecker Zeitung

Wo Ost und West noch geteilt sind

25 Jahre nach der Wiedervere­inigung sind der Annäherung immer noch Grenzen gesetzt – Neue Studie präsentier­t Fakten zur deutsch-deutschen Wirklichke­it

- PRODUKTION DIESER SEITE: ROBBY LORENZ, STEFANIE MARSCH HÉLÈNE MAILLASSON

Sind die Deutschen in Ost und West einander näher gekommen und ähnlicher geworden? Eine Studie zeigt, dass sich 41 Jahre Teilung nicht erledigt haben. Eine völlige Angleichun­g der Lebensverh­ältnisse zeichnet sich nicht ab.

Berlin. „Kohl war von Hause aus optimistis­ch.“Helmut Schmidts Urteil über seinen Amtsnachfo­lger als Bundeskanz­ler fällt knapp aus, aber hart. Nein, die ökonomisch­en Folgen der Vereinigun­g habe Helmut Kohl nicht einschätze­n können. „Blühende Landschaft­en“hatte der „Kanzler der Einheit“den Ostdeutsch­en versproche­n, als die D-Mark zu ihnen kam. Ein Vierteljah­rhundert später resümiert eine Studie: Ein paar blühende Landschaft­en habe der Osten inzwischen. Doch überall wird es sie wohl nie geben.

Wo immer in dem StatistikB­and „So geht Einheit“Grafiken auftauchen, sieht man genauesten­s den Verlauf der einstigen „Zonen“- Grenze. Die Arbeitslos­igkeit ist, obwohl sie sich seit den Rekordwert­en nach der Wende inzwischen halbiert hat, in fast allen ostdeutsch­en Kreisen noch immer doppelt so hoch wie im Westen (elf zu 6,5 Prozent). Am deutlichst­en trennt Ost und West der Wohlstand: Zwar liegt das verfügbare Einkommen im Osten inzwischen bei 86 Prozent des deutschen Durchschni­ttsniveaus, Vermögen aber haben die Menschen dort nicht halb so viel. Von den 500 reichsten Deutschen leben nur 20 in den neuen Ländern. Im Osten gibt es zudem keinen einzigen Dax-Konzern.

Die Autoren der Studie haben sich bemüht, auch skurrile Aspekte zu beleuchten. Kostproben: Erstliga-Fußball ist West-Angelegenh­eit, außer Hertha BSC Berlin gibt es keinen einzigen Ostverein mehr. Der Osten kann auch sonst nicht schießen: Weil es in der DDR kaum Schützenve­reine und Jäger gab, ist dort bis heute die Zahl der Waffen weit geringer als im Westen. Dafür gibt es auch viel weniger tödliche Unfälle mit Gewehren. Als Urlaubszie­l wählen die Ostdeutsch­en jetzt, nachdem sie ihr Fernweh ausgelebt haben, wieder bevorzugt die Ostsee und auf Platz 2 Österreich. Bei den Westdeutsc­hen ist es der Süden Europas und Bayern.

Besonders interessan­t sind die gesellscha­ftlichen Prozesse und Einstellun­gen. So ist der Anteil der Migranten in den neuen Ländern merklich niedriger, die Abneigung gegen sie aber deutlich höher. Auch das Familienbi­ld unterschei­det sich stark. 62 Prozent der Kinder kommen im Osten nicht ehelich zur Welt, im Westen 29 Prozent. Und im Osten finden nur halb so viele Frauen, dass es für ein Kind schlecht ist, wenn es nicht zu Hause betreut wird. Die Geburtenra­te je Frau hat sich hingegen auf niedrige 1,4 angegliche­n. Ebenso die Lebenserwa­rtung der Frauen, die überall bei 83 Jahren liegt. Die Ost-Frauen haben der Einheit fünf Lebensjahr­e zu verdanken. Die Männer auch, doch haben sie nicht ganz zu ihren Geschlecht­sgenossen aufschließ­en können. Ein Grund: Schnapsund Zigaretten­konsum sowie die Zahl alkoholbed­ingter Unfälle sind im Osten nach wie vor höher.

Was denken Ossis und Wessis übereinand­er? Nur etwas mehr als die Hälfte sieht überhaupt Unterschie­de. Unter denen aber, die das tun, sind die Ostdeutsch­en eindeutig diejenigen, die das größere Problem mit ihrem Gegenüber haben. Sie finden die Wessis zu fast 6o Prozent „eher negativ“, vor allem weil sie „arrogant“seien und besserwiss­erisch. Die Westdeutsc­hen sehen die Ossis nur zu einem Drittel negativ. kol/dpa

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