Wo Ost und West noch geteilt sind
25 Jahre nach der Wiedervereinigung sind der Annäherung immer noch Grenzen gesetzt – Neue Studie präsentiert Fakten zur deutsch-deutschen Wirklichkeit
Sind die Deutschen in Ost und West einander näher gekommen und ähnlicher geworden? Eine Studie zeigt, dass sich 41 Jahre Teilung nicht erledigt haben. Eine völlige Angleichung der Lebensverhältnisse zeichnet sich nicht ab.
Berlin. „Kohl war von Hause aus optimistisch.“Helmut Schmidts Urteil über seinen Amtsnachfolger als Bundeskanzler fällt knapp aus, aber hart. Nein, die ökonomischen Folgen der Vereinigung habe Helmut Kohl nicht einschätzen können. „Blühende Landschaften“hatte der „Kanzler der Einheit“den Ostdeutschen versprochen, als die D-Mark zu ihnen kam. Ein Vierteljahrhundert später resümiert eine Studie: Ein paar blühende Landschaften habe der Osten inzwischen. Doch überall wird es sie wohl nie geben.
Wo immer in dem StatistikBand „So geht Einheit“Grafiken auftauchen, sieht man genauestens den Verlauf der einstigen „Zonen“- Grenze. Die Arbeitslosigkeit ist, obwohl sie sich seit den Rekordwerten nach der Wende inzwischen halbiert hat, in fast allen ostdeutschen Kreisen noch immer doppelt so hoch wie im Westen (elf zu 6,5 Prozent). Am deutlichsten trennt Ost und West der Wohlstand: Zwar liegt das verfügbare Einkommen im Osten inzwischen bei 86 Prozent des deutschen Durchschnittsniveaus, Vermögen aber haben die Menschen dort nicht halb so viel. Von den 500 reichsten Deutschen leben nur 20 in den neuen Ländern. Im Osten gibt es zudem keinen einzigen Dax-Konzern.
Die Autoren der Studie haben sich bemüht, auch skurrile Aspekte zu beleuchten. Kostproben: Erstliga-Fußball ist West-Angelegenheit, außer Hertha BSC Berlin gibt es keinen einzigen Ostverein mehr. Der Osten kann auch sonst nicht schießen: Weil es in der DDR kaum Schützenvereine und Jäger gab, ist dort bis heute die Zahl der Waffen weit geringer als im Westen. Dafür gibt es auch viel weniger tödliche Unfälle mit Gewehren. Als Urlaubsziel wählen die Ostdeutschen jetzt, nachdem sie ihr Fernweh ausgelebt haben, wieder bevorzugt die Ostsee und auf Platz 2 Österreich. Bei den Westdeutschen ist es der Süden Europas und Bayern.
Besonders interessant sind die gesellschaftlichen Prozesse und Einstellungen. So ist der Anteil der Migranten in den neuen Ländern merklich niedriger, die Abneigung gegen sie aber deutlich höher. Auch das Familienbild unterscheidet sich stark. 62 Prozent der Kinder kommen im Osten nicht ehelich zur Welt, im Westen 29 Prozent. Und im Osten finden nur halb so viele Frauen, dass es für ein Kind schlecht ist, wenn es nicht zu Hause betreut wird. Die Geburtenrate je Frau hat sich hingegen auf niedrige 1,4 angeglichen. Ebenso die Lebenserwartung der Frauen, die überall bei 83 Jahren liegt. Die Ost-Frauen haben der Einheit fünf Lebensjahre zu verdanken. Die Männer auch, doch haben sie nicht ganz zu ihren Geschlechtsgenossen aufschließen können. Ein Grund: Schnapsund Zigarettenkonsum sowie die Zahl alkoholbedingter Unfälle sind im Osten nach wie vor höher.
Was denken Ossis und Wessis übereinander? Nur etwas mehr als die Hälfte sieht überhaupt Unterschiede. Unter denen aber, die das tun, sind die Ostdeutschen eindeutig diejenigen, die das größere Problem mit ihrem Gegenüber haben. Sie finden die Wessis zu fast 6o Prozent „eher negativ“, vor allem weil sie „arrogant“seien und besserwisserisch. Die Westdeutschen sehen die Ossis nur zu einem Drittel negativ. kol/dpa