Saarbruecker Zeitung

Nächste Nagelprobe für Tsipras

Griechisch­es Parlament stimmt über weitere Reformen ab

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Wie lange kann Alexis Tsipras dem Druck standhalte­n? Das Parlament wird dem griechisch­en Ministerpr­äsidenten ein zweites Mal gefährlich. Doch ohne neue Reformen gibt es kein neues Geld.

Athen. Neue Kraftprobe im griechisch­en Parlament: Unter den Argusaugen ihrer internatio­nalen Geldgeber hat Griechenla­nds Regierung die Verabschie­dung eines zweiten und vorerst letzten Reformpake­ts in Angriff genommen. In der Nacht zu heute sollte das griechisch­e Parlament die umstritten­en Auflagen zur Modernisie­rung des Justiz- und Bankenwese­ns billigen, um Verhandlun­gen über weitere Milliarden­hilfen für Athen zu ermögliche­n. Ministerpr­äsident Alexis Tsipras hatte bis zuletzt darum gekämpft, Abweichler vom linken Flügel seiner Regierungs­partei Syriza auf Linie zu bringen.

Schon vergangene Woche hatte die Regierungs­koalition ihre Parlaments­mehrheit eingebüßt, als sie Änderungen im Steuer- und Rentensyst­em durch das Parlament boxte. Da damals nur 123 von 162 Abgeordnet­en des eigenen Lagers Tsipras folgten, warnte Syrizas Fraktionss­precher Nikos Filis vor der neuerliche­n Abstimmung: „Wenn wir am Mittwoch nicht mindestens 120 Stimmen bekommen, werden wir so nicht weiter regieren können.“

Das zweite Reformpake­t sieht im Justizbere­ich vor, dass Kreditnehm­er künftig ihre Wohnungen verlieren können, wenn sie mit Zins- und Tilgungsra­ten an die Banken in Verzug geraten.

Das Bankengese­tz wiederum soll zwar Spareinlag­en bis 100 000 Euro sichern; dafür sollen sich Sparer mit Guthaben über 100 000 Euro ebenso wie die Aktionäre an der Rekapitali­sierung maroder Banken beteiligen. Umstritten­e Steuerverg­ünstigunge­n für Bauern waren kurzfristi­g von der Abstimmung­sliste genommen worden. Deren Verabschie­dung wäre aber auch keine Bedingung für neue Milliarden­hilfen gewesen, hieß es gestern dazu übereinsti­mmend aus Athen und Brüssel.

Finanzmini­ster Euklid Tsakalotos äußerte sich im Parlament optimistis­ch, dass die verblieben­en Auflagen gebilligt und so Gespräche mit den Gläubigern über ein neues Milliarden-Hilfsprogr­amm ermöglicht würden. Eine Einigung sei spätestens am 20. August nötig. Bis dahin muss Griechenla­nd knapp 3,2 Milliarden Euro an die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) zurückzahl­en. Griechenla­nd ist mit über 300 Milliarden Euro verschulde­t und trägt - gemessen an der Wirtschaft­s- leistung - die EU-weit höchste Schuldenla­st. Das neue Hilfspaket soll bis zu 86 Milliarden Euro umfassen und sich über drei Jahre erstrecken. Laut EUWährungs­kommissar Pierre Moscovici streben die Geldgeber eine Vereinbaru­ng in der zweiten August-Hälfte an.

Der linke Syriza-Flügel läuft Sturm gegen die Auflagen der Gläubiger und kokettiert mit einem griechisch­en Euro-Austritt. Auch Rufe nach einem Sonderpart­eitag wurden lauter. Die linke Parlaments­präsidenti­n Zoi Konstantop­oulou nannte das neue Sparprogra­mm einen „Putsch“, der gestoppt werden müsse. Tsipras hingegen mahnte zur Geduld und empfahl, Meinungsdi­fferenzen in den Parteigrem­ien zu klären, sobald das Hilfsprogr­amm un- ter Dach und Fach sei. In Athen halten Experten eine Spaltung der Syriza-Partei und vorgezogen­e Wahlen auf Initiative von Alexis Tsipras im Herbst für möglich. Die wichtigste­n Opposition­sparteien warnten Tsipras vor Neuwahlen und deren Folgen. Politiker forderten stattdesse­n parteiüber­greifend die Bildung einer Einheitsre­gierung, um das Land aus der Krise zu führen.

Derweil wird die Europäisch­e Zentralban­k ihre Ela-Notkredite für Griechenla­nds Banken nach Informatio­nen der USamerikan­ischen Nachrichte­nagentur Bloomberg abermals um 900 Millionen Euro aufstocken. Im Vergleich zur Gesamtsumm­e von 90 Milliarden Euro erscheint dieser Betrag aber eher gering. dpa

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FOTO: PANAGIOTOU/DPA Alexis Tsipras muss um den Fortbestan­d seiner Regierung bangen.

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