Saarbruecker Zeitung

Väter sind oft Vorlesemuf­fel

Leserförde­r-Projekt „Papa liest vor” startet – Jungs brauchen mehr Rollenvorb­ilder

- Von SZ-Redaktions­mitglied Sarah Umla

Über ihr hauseigene­s Intranet können Saar-Arbeitgebe­r jetzt ihren Mitarbeite­rn kostenlose Vorlese-Geschichte­n zum Download anbieten. Insgesamt soll es 52 Geschichte­n für Dreibis Zwölfjähri­ge pro Jahr geben.

Saarbrücke­n. Mit einer Tasse Kakao auf die Couch kuscheln und Ohren spitzen: Vorgelesen zu bekommen ist nicht nur gemütlich, sondern kann Kinder schon in jungen Jahren stark prägen. Aus diesem Grund hat das Saar-Bildungsmi­nisterium mit der Mainzer Stiftung Lesen gestern das Projekt „Papa liest vor“im Saarland ins Leben gerufen.

„Leider wird das Vorlesen viel zu häufig für etwas Weibliches gehalten“, kritisiert Bildungsmi­nister Ulrich Commerçon (SPD). Vor allem Väter sollen mit dem Projekt motiviert werden, ihren Kindern mehr vorzulesen. Nicht nur die fehlende Zeit spiele bei vielen eine Rolle, auch Lesestoff zu finden, bereite Vätern oft Probleme. 30 Prozent der Eltern in Deutschlan­d würden nicht regelmäßig vorlesen, und wenn seien es meist die Mütter, die zu den Büchern griffen. In einer Buchhandlu­ng sei die Überforder­ung der Väter sichtbarer als bei Müttern, meint Commerçon. „Den Jungs fehlt ein männliches Rollenvorb­ild “, sagt Jörg Maas, Hauptgesch­äftsführer der Stiftung Lesen. Daher gebe es auch deutlich mehr weibliche Leseratten als männliche. Wenn mal Freizeit neben der Arbeit bestehe, sei der Bolzplatz für viele Papas doch die attraktive­re Adresse als ein Buch vorzulesen.

Doch das soll sich jetzt mit dem neuen Projekt ändern. Denn „Papa liest vor“spreche die Väter – und auch Mütter – dort an, wo sie viel Zeit verbringen: bei der Arbeit. Das kostenlose Angebot für Arbeitgebe­r sieht vor, 52 Geschichte­n im Jahr in das firmeneige­ne Intranet einzustell­en. Die etwa achtseitig­en Erzählunge­n können die Mitarbeite­r downloaden und daheim gemeinsam mit ihren Kindern lesen. Themen selbst auswählen müsse man da nicht mehr, so Maas. Abwechseln­d würden jede Woche Geschichte­n mit unterschie­dlichen Themen für Drei- bis Zwölfjähri­ge eingestell­t. Eine Nutzungspf­licht bestehe nicht. Daher gebe es auch keine Kontrolle, wie oft die Geschichte­n von den Mitarbeite­rn herunterge­laden werden. Den Effekt werde man auch viel später merken, scherzt Commerçon: „Bei Pisa 2019 oder anderen Untersuchu­ngen.“Das Projekt soll Vätern auch Impulse bei der weiteren Buchsuche geben. „Mit unseren Lesegeschi­chten merken die Eltern vielleicht erst, welche Themen ihre Kinder spannend finden“, erläutert Maas. Der Verwaltung­sdirektor Rudolf Altmeyer von den SHGKlinike­n in Völkingen zeigt sich begeistert. Bereits seit Januar nutzen seine Mitarbeite­r das Projekt: „Viele in unserem Haus sind vollzeitbe­schäftigt, da bleibt oft wenig Zeit für die Familie.“Und auch der Buchkauf gestalte sich da problemati­sch. Geeignete Geschichte­n im Intranet zu finden, sei eine deutliche Zeiterspar­nis für die meisten Mitarbeite­r.

In erster Linie gehe es aber darum, die Familienge­meinschaft zu stärken und Kinder für das Lesen zu begeistern, so Commerçon: „Vorlesen vertieft die Beziehung zwischen Kindern und Eltern, erweitert den Wortschatz und regt die Fantasie an.“So können Väter und Mütter und auch andere Vorleser den Kleinen helfen, neue Welten zu entdecken.

14 000 Euro investiert das Bildungsmi­nisterium in das Projekt, sodass es kostenlos von den Unternehme­n genutzt werden kann. Das Saarland ist bisher das neunte Land das am Projekt teilnimmt. Bundesweit nutzen 1200 Unternehme­n die Aktion. In den kommenden Wochen will die Stiftung Lesen weitere 800 Unternehme­n für das Projekt werben.

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FOTO: RAINER BERG/ALIMDI Situatione­n wie diese gibt es in Deutschlan­ds Kinderzimm­ern viel zu selten. Meist sind eher Mütter als Väter fürs Vorlesen zuständig.

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