Saarbruecker Zeitung

Das nasse Element

Die Ausstellun­g „Über Wasser“im Bucerius Kunst Forum in Hamburg

- Von den SZ-Mitarbeite­rn Nicole Büsing und Heiko Klaas

Die Ausstellun­g „Über Wasser“im Bucerius Kunst Forum in Hamburg untersucht Darstellun­gen des Wassers in Malerei und Fotografie. Zu sehen sind unter anderem Werke von Max Beckmann, Gerhard Richter und Andreas Gursky.

Hamburg. Unbezähmba­re Wellen, regennasse Fenstersch­eiben, Eisscholle­n, gespiegelt­e Stadtsilho­uetten auf nassem Asphalt: Das Element Wasser in all seinen Spielarten und Darstellun­gsformen ist jetzt Thema der epochenübe­rgreifende­n Ausstellun­g „Über Wasser. Malerei und Photograph­ie von William Turner bis Olafur Eliasson“im Hamburger Bucerius Kunst Forum. Die sehenswert­e Schau versammelt 150 Exponate von 92 Künstlern, darunter Maler wie Gerhard Richter, Gustave Courbet oder Robert Motherwell sowie Fotografie­n aus der Entstehung­szeit des Mediums über Klassiker des Neuen Sehens bis hin zu zeitgenöss­ischen Künstlern wie Andreas Gursky. Die Ausstellun­g findet im Rahmen der Hamburger Triennale der Photograph­ie statt.

Kuratiert wurde „Über Wasser“von der Direktorin des Bucerius Kunst Forums, Ortrud Westheider, zusammen mit Ulrich Pohlmann, dem Sammlungsl­eiter Fotografie des Stadtmuseu­ms München, das über eine der herausrage­ndsten Fotografie­sammlungen in Deutschlan­d verfügt. Pohlmann definiert den kuratorisc­hen Ansatz so: „Es geht uns nicht nur um das formalästh­etische Ausreizen der Bildwelten, sondern auch um politische Fragen. Die Kriege der Zukunft werden um Wasser geführt. Deswegen ist der Aspekt, wie wir mit Wasser umgehen, eine ganz wichtige Fragestell­ung gewesen bis hin zur Verschmutz­ung und Vergiftung dieser Ressource des Lebens.“

Außerdem wagt die Schau einen Medienverg­leich, indem sie untersucht, wie unterschie­dlich Maler und Fotografen die bildnerisc­hen Herausford­erungen der Darstellun­g von Wasser meistern.

Andreas Müller-Pohles „Hong Kong Island“, fotografie­rt von einem Boot nahe Shau Kei Wan im Jahr 2010.

Die Ausstellun­g gliedert sich in sieben Kapitel. Der Rundgang startet mit einem Raum zum Thema Tropfen. Wasser als flüchtiges, ephemeres, sich ständig wandelndes Element wird in seiner kleinsten Form besonders von den Fotografen fast wissenscha­ftlich erfasst. Gleichzeit­ig gelingen atmosphäri­sche Bilder, etwa der Blick durch regennasse Fenstersch­eiben bei Peter Keetmann und Hans Namuth. Menschen und Wasser: Die berührende Radierung „Der Untergang“des Symboliste­n Max Klinger von 1884 zeigt eine ver- zweifelte Prostituie­rte, die sich im Meer ertränkt. Elegante Schwimmer, lustvoll Badende und Pauschalto­uristen in künstliche­n Badewelten dann etwa bei David Hockney, Boris Mikhailov, William Klein oder Martin Parr.

Das Thema Welle beherrscht den Hauptraum der unteren Ausstellun­gsetage. Hier werden Wellendars­tellungen von Hokusai, Victor Hugo und Gustave Courbet mit der berühmten Fotografie „Meeresbild, Große Welle, Sète“von 1856 von Gustave Le Gray in eine dialogisch­e Reihe gestellt. Während die Fotografen des Neuen Sehens um Albert Renger-Patzsch das Element Wasser in fragmentie­renden Ausschnitt­en fast abstrahier­end einfingen, geht es in dem Kapitel „Reflexione­n“um Darstellun­gen des Wassers in Form von Spiegelung­en und Brechungen. In der Fotografie des Piktoriali­smus treten wiederum diffuse Reflexione­n zum Vorschein, die auf andere Bewusstsei­nszustände verweisen.

Doch auch hochkaräti­ge Gemälde, etwa Gerhard Richters nach einem Foto gemaltes „Seestück ( bewölkt)“von 1969 oder Max Beckmanns nahezu abstraktes Bild „Blick aus der Schiffsluk­e“von 1934 als Sinnbild einer Welt, die aus den Fugen geraten ist, sind einige Höhepunkte dieser klug erarbeitet­en Ausstellun­g. Eine ebenso konzeptuel­l wie poetisch angelegte Fotoserie von Olafur Eliasson fängt die Magie eines langsam schmelzend­en Eisblocks in Island ein.

Der letzte Raum zeigt Wasser als unbezähmba­res Element. Der Betrachter stößt hier auf die künstleris­che Bearbeitun­g von brandaktue­llen Themen: Tsunami-Wellen, Wasservers­chmutzung und das Schicksal der Lampedusa-Flüchtling­e. Den Schlusspun­kt der Schau setzt eine Fotomontag­e von Pablo Genovés, die eine prachtvoll­e Bibliothek zeigt, die von einer Tsunami-Welle verschlung­en wird. Hat die durch den Klimawande­l entfesselt­e Naturgewal­t sich am Ende der Kultur und Zivilisati­on bemächtigt? Die Ausstellun­g „Über Wasser“zieht sich keineswegs in einen ästhetisch­en Elfenbeint­urm zurück. Sie wirft ganz im Gegenteil auch brisante Fragen auf, die uns tagtäglich beschäftig­en.

Die Ausstellun­g „Über Wasser. Malerei und Photograph­ie von William Turner bis Olafur Eliasson“läuft im Hamburger Bucerius Kunst Forum bis zum 20. September. Geöffnet: täglich 11-19 Uhr, Do bis 21 Uhr. Katalog erschienen im Hirmer Verlag, 240 S., 29 Euro in der Ausstellun­g), 39 Euro im Buchhandel. Weitere Informatio­nen im Internet unter www.buceriusku­nstforum.de

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FOTO: ANDREAS MÜLLER-POHLE

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