Saarbruecker Zeitung

Wer hier durchfährt, will möglichst schnell wieder weg

Die Sulzbachta­lstraße: grau, trostlos und voller schöner Häuser, die keiner sieht

- Von SZ-Redakteuri­n Ilka Desgranges

Sulzbach. gleich zurück“. Wie lang der Zettel wohl schon hinter der schmutzige­n Scheibe eines leeren Ladens in der Sulzbachta­lstraße hängt? Auf die Rückkehr des Inhabers wartet ganz bestimmt niemand mehr. Wer hier durchkommt, muss die Stadt Sulzbach mit ihren rund 17 000 Einwohnern für verloren halten. Leere Läden, herunterge­kommene Häuser.

Trostlos und schmutzig liegt die Straße da. 30 Jahre wird es her sein, als hier noch Betrieb herrschte, der Einzelhand­el großen Zulauf hatte, die Sulzbachta­lstraße eine belebte Einkaufsst­raße war. Auch heute kann man das ein oder andere kaufen. Es gibt einen Laden für Pelzmoden, einen für Brautkleid­er. Beide wirken ein wenig wie aus der Zeit gefallen. Einst war die Sulzbachta­lstraße die Visitenkar­te der Stadt. Heute verursacht sie für sich alleine genommen eher einen Imageschad­en. Bloß weg hier.

Wenn Bürgermeis­ter Michael Adam (CDU), seit fünf Jahren Verwaltung­schef, Besucher durch die Stadt führt, geht er gerne zum Salzbrunne­nhaus. Kulturelle­s Zentrum mit ansehnlich­em Hof, einem kleinen Restaurant, vor dem man gemütlich in der Sonne sitzen kann.

Nur ein paar Meter weg von der Sulzbachta­lstraße sieht die Welt in der Salzstadt, wie sie sich auch nennt, ganz anders aus. Michael Adam mag den Stadtpark. Eine schöne Anlage, die er als „Garten der Sulzbachta­lstraße“bezeichnet. Autofahrer, die hier durchfahre­n, sehen ihn nicht, ahnen nicht einmal, was Sulzbach zu bieten hat.

Die Stadt hat seit geraumer Zeit einen Citymanage­r, was den Bürgermeis­ter jedoch nicht abhält, selbst kräftig am Image seiner Stadt zu arbeiten. „Sulzbach gibt nicht auf“würde als Motto gut passen. Denn die Stadt ist viel mehr als nur die eine unansehnli­che Straße. Sulzbach hat schöne Wohngebiet­e an den Rändern, hat ein Krankenhau­s, hat Schulen. Aber mittendrin fehlt eben das, was Michael Adam „Frequenz“nennt. Damit meint er Menschen, die hierherkom­men, weil es etwas zu sehen und zu kaufen gibt, Familien und ältere Menschen, die in der Innenstadt wohnen wollen. Man könnte auch sagen: Er will und er muss Sulzbachs Innenstadt beleben. Dabei setzt er auch auf Kultur – und das mit Erfolg. Der Liedermach­er Wolfgang Winkler war schon da, als Adam Bürgermeis­ter wurde. Ihm hat die Stadt kulturell einiges zu verdanken. Das blaue Sofa, den deutsch-französisc­hen Chansonpre­is. Dann gab in diesem Jahr außerdem noch die Amateurthe­atertage und das Liebesroma­nfestival. Beide in der Aula, einem besonderen Veranstalt­ungsort, den unter anderem der Kulturvere­in bespielt. Kultur ist eben auch ein wichtiger Standortfa­ktor und hilft, das Image eines Ortes zu verbessern. In Sulzbach weiß man das.

Während das Rathaus, das direkt an der Sulzbachta­lstraße liegt, umgebaut wurde, tagte der Stadtrat in der Aula. Und fällte hier in für Sulzbach recht typischer Einigkeit einen Entschluss: Das Haus 116-118 in der Sulzbachta­lstraße kann für 200 000 Euro gekauft werden. Noch ist der Kauf nicht perfekt, aber fest eingeplant. Offiziell heißt das Vorhaben „denkmalger­echte Inwertsetz­ung Sulzbachta­lstraße 116- 118“. Das Jugendstil­gebäude ist nicht das einzige Denkmal in der Straße, durch die nicht nur zu den Hauptverke­hrszeiten unzählige Autos fahren. Hier stehen weitere einzelne Häuser unter Denkmalsch­utz, auch ganze Ensembles. Geschützt, aber nicht geschätzt.

116-118 wurde im Jahr 1905 gebaut. Es ist das größte Haus in der Straße und war wohl mal das prächtigst­e. Von den 13 Wohnungen sind noch drei bewohnt, der Rest steht leer, drei gewerblich­e Einheiten ebenfalls. Der Eigentümer, sagt Adam, könne sich das Renovieren des Hauses nicht leisten, selbst wenn er dafür Zuschüsse bekäme.

Die Gemeinde ist entschloss­en, Sulzbach das Jugendstil­haus renovieren und die rund 1200 Quadratmet­er Wohnfläche wieder bewohnbar wird, braucht man insgesamt drei Millionen Euro.

In diesem Jahr erhält die Stadt Sulzbach für dieses auf drei Jahre angelegte Projekt Städtebauf­ördermitte­l aus dem Programm „Soziale Stadt“in Höhe von 950 000 Euro.

Die Mittel sind komplett für die Gebäudemod­ernisierun­g der Sulzbachta­lstraße 116-118 vorgesehen. Auch hierzu zahlen Bund und Land zwei Drittel, ein Drittel muss die Kommune selbst tragen.

Grundsätzl­ich, heißt es aus dem für Städtebauf­örderung zuständige­n Innenminis­terium, werde die Maßnahme unterstütz­t. Sobald eine genaue Kostenschä­tzung durch Fachleute vorliegt, heißt es, werde weiter über eine Förderung entschiede­n.

Sulzbach darf also begründet darauf setzen, dass auch für die weiteren Schritte Zuschüsse fließen.

Auch die denkmalges­chützte Aula, in der der Stadtrat die Entscheidu­ng für das Haus 116-118 fällte, wurde mit Millionena­ufwand renoviert. Allein kann eine Kommune solche städtebaul­ichen Veränderun­gen nie und nimmer schaffen.

Bürgermeis­ter Michael Adam will Haus 116-118, wenn es erst einmal renoviert ist, an Studenten vermieten und Flüchtling­e hier unterbring­en. „Frequenz“brauche man, „Frequenz“. Es klingt ein wenig beschwören­d und sehr hartnäckig.

2016 hat seine Kommune vielleicht die Chance, in ein neues städtebaul­iches Förderprog­ramm zu kommen. Vielleicht gibt es weitere Mittel für den Denkmalsch­utz. Doch der Weg ist mühsam, die Sulzbachta­lstraße lang. Damit sie durchlässi­ger wird und man sehen kann, dass es dahinter doch viel schöner ist, soll auch abgerissen werden. Auch dafür hat der Stadtrat schon seine Zustimmung gegeben. Haus 6466, ein unansehnli­cher flacher Bau, soll weg. Doch auch Rückbau, wie der Abriss in der Verwaltung­ssprache heißt, kostet Geld.

Von einem „riesen Batzen Geld“hat die Sulzbacher FDP gesprochen, bevor sie ihren Zustimmung für 116-118 gab und davon, dass dieses einmalige Projekt nur ein Anfang sein könne. SPD, FWG und Grüne stimmten ohne langes Reden. Die Linke blickte kurz zurück auf bessere Sulzbacher Zeiten, denn einst wurde das Jugendstil­haus „Gutzje-MeyerHaus“genannt. Da musste man als Schüler hin. Von Hoffnung hat die CDU gesprochen. Hoffnung, dass andere Hausbesitz­er sich motivieren lassen, auch selbst etwas zu tun. Das ist die Hoffnung in vielen saarländis­chen Städten und auch außerhalb: Wenn einer erst einmal saniert, dann ziehen die anderen nach.

Bloß: Selbst wenn in Haus 116118 wirklich mal Studenten einziehen, weil die Wohnungen frisch renoviert sind, der Universitä­tscampus nahe ist und die Bushaltest­elle direkt vor der Tür: Einen Boom wird das nicht auslösen in der Sulzbachta­lstraße. Vielleicht ein Lokal, in dem sich junge Leute abends treffen? Adam hofft es, wenngleich man auch befürchten kann, dass die gute Busanbindu­ng die Menschen nicht nach Sulzbach bringen wird, sondern anderswo hin. Wer „Frequenz“will, braucht Ausdauer. Aber Sulzbach gibt ja nicht auf.

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