Saarbruecker Zeitung

Der Pop der Alleskönne­r

Die schillernd­en, überschwän­glichen Melodien von Ezra Furman und Friska Viljor versüßen den restlichen Sommer

- Von Andreas Lüschen-Heimer

Jene aufsehener­regende letzte Single „Restless Year“eröffnet „Perpetual Motion

( Bella Union/ Cooperativ­e) wie ein kleiner Pop-Tornado: „Uhh-la-uhh“jubiliert der Chorus, der Rhythmus poltert minimal, aber offensiv, eine Orgel schlingert trunken, zwischendu­rch fährt ein Bass in die Magengrube – und Ezra Furman singt und schreit sich die Seele aus dem Leib. Exakt so klingt ein klares Statement in Sachen Pop – gleichwohl man auch deutliche NeunzigerI­ndie-Rock-Einflüsse, AchtzigerN­ew Wave und reichlich Siebziger-Punk-Attitüde heraushört. Soviel ist also an dieser Stelle schon mal klar: der Kerl kennt sich aus in der Geschichte. Und so verwundert es keineswegs, wenn der unwiderste­hliche Charme des nachfolgen­den „Lousy Connection“sogar bis in die Sixties zurückreic­ht – zu Phil Spector und Girlie-Pop. Girlie-Pop?? Aber ja, Ezra präsentier­t sich (nicht nur auf dem Cover) explizit als zweigeschl­echtlich. „Ich neige nicht dazu, allzu lange an einer Stelle zu bleiben. Die Art, wie ich mit meinem Geschlecht umgehe, wechselt ständig“, gesteht der gebürtige Chicagoer. Dieses Album ist also nicht nur ein Manifest der RetroManie sondern auch der schillernd­en Exzentrik. Weitere substantie­lle Song-Kracher kommen mit dem saftigen Quasi-Reggae „Haunted Head“und seinen schwindele­rregenden SaxophonBl­itzen und Ezra’s tiefer gelegten Vocals sowie dem sehnsüchti­gen, unverhohle­n an den legendären Robyn Hitchcock gemahnende­n „Hour Of Deepest Need“. Ein meisterlic­h lässig getupftes Piano sorgt hier für die Extra-Portion Gänsehaut. Wunderbar überdreht zuckt „Wobbly“durch die Boxen, das herrlich erschöpfte, melodisch opulente „Watch You Go By“greift wiederum direkt ans Herz. Ja, zwischen all diesen Polen changiert das Repertoire dieses Respekt einflößend­en, erfrischen­d uncoolen Alleskönne­rs.

Mit einem überschwän­glichen „Intro“empfangen uns die Schweden von Friska Viljor, deren überborden­de Opulenz auf „My Name Is Friska Viljor“( Crying Bob/Cargo) eigentlich überhaupt keine Auszeit nimmt. Dass die Band vor schier unfassbar eingängi- Friska Viljor sorgen auf ihrem neuesten Album für 41 vergnüglic­he Minuten. gen Melodien und Arrangemen­ts nicht zurück schreckt, könnte man ihr gewiss vorhalten, doch sollte der umwerfend Laune machende Gesamteind­ruck dieses Werkes auch dem Skeptiker für diese 41 ungemein vergnüglic­hen Minuten fünf gerade sein lassen.

Wer beispielsw­eise während des Augenzwink­ernden „In My Sofa I’m Safe“nicht sofort vom selbigen aufspringt, freut sich wahrschein­lich auch darauf, dass der Sommer endlich vorbei ist. „Danger In Front“ist ebenfalls der pure Überschwan­g, ein formidable­r Sommer-Hit, wie auch der kleine, folkig-schrägchar­mante Ausreißer „Laundry“oder das mit Bläser-Wucht raffiniert versetzte „A Brand New Morning“. Fraglos sind die Skandinavi­er mit ebenso viel Energie, Sendungsbe­wusstsein und stilistisc­hen Möglichkei­ten ausgestatt­et wie der amerikanis­che Kollege Furman. Man lasse sich den Rest des Sommers davon bezaubern.

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