Saarbruecker Zeitung

Schlingman­n verlässt Saar-Staatsthea­ter 2017 vorzeitig

Theaterche­fin Dagmar Schlingman­n verlässt 2017 vorzeitig die Saarbrücke­r Bühne

- Von SZ-Redakteur Oliver Schwambach

Saarbrücke­n. Generalint­endantin Dagmar Schlingman­n erfüllt ihren Vertrag am Saarländis­chen Staatsthea­ter, der bis Sommer 2019 läuft, nicht. Sie wechselt zum Ende der Spielzeit 2016/17 an das Staatsthea­ter Braunschwe­ig. Dies gab sie gestern überrasche­nd gemeinsam mit Kulturmini­ster Ulrich Commerçon bekannt. Ihren Schritt begündete sie mit einem „größeren finanziell­en Spielraum“in Braunschwe­ig. Schlingman­n ist seit 2006 Chefin des Staatsthea­ters. red

Zum Saisonende 2016/2017 wechselt Intendanti­n Dagmar Schlingman­n an die Spitze des Staatsthea­ters Braunschwe­ig. Ihr Vertrag am Saarländis­chen Staatsthea­ter wurde voriges Jahr erst bis 2019 verlängert.

Saarbrücke­n. Wie sich die Zeiten ändern! „Saarbrücke­n ist mein Wunschhaus“, jubilierte Noch- Generalint­endantin Dagmar Schlingman­n im Januar 2014. Da hatten sie und Kulturmini­ster Ulrich Commerçon (SPD) gerade ihre Vertragver­längerung bis 2019 unterzeich­net. Alles passé nun. Schlingman­n geht Ende der Saison 2016/2017 an die Braunschwe­iger Bühne, eines von drei Staatsthea­tern in Niedersach­sen.

Dieser Wechsel kommt überrasche­nd, wenn auch nicht unerwartet. Zwar war ein Weggang Schlingman­ns öfters schon im Gespräch. 2012 verdichten sich etwa die Hinweise, dass sie die Bonner Bühne übernehmen könne. Damals aber hielt wohl nicht zuletzt das persönlich­e (Um-)Werben von Ministerpr­äsidentin Anneget Kramp-Karrenbaue­r (CDU) Schlingman­n davon ab, die Kisten zu packen. Und 15 Millionen Euro, die das Land 2013 in eine nagelneue Bühnentech­nik fürs Große Haus investiert­e, waren wohl auch ein Argument. Nicht zu vergessen der Rückhalt, den Schlingman­ns Theater beim Publikum im Land hat.

Nun aber hält sie wohl nichts und niemand mehr. „Das Staatsthea­ter Braunschwe­ig ist ein Fünf-Sparten-Haus mit vielen Spielstätt­en (…) ein solches Haus als Generalint­endantin zu leiten, ist eine neue reizvolle Herausford­erung“, heißt es in der Mitteilung des Kulturmini­steriums von gestern Abend. Und SPD-Kulturmini­ster Ulrich Commerçon lobt: „Das Saarland ist Frau Schlingman­n bereits heute zu großem Dank verpflicht­et. Sie hat das Theater seit 2006 nach unruhiger Zeit stabilisie­rt und ihm eine neue Entwicklun­gsperspekt­ive gegeben“. Weder Minister noch Intendanti­n wollten den eher dürren Worten aus der Rundmail am Telefon noch persönlich etwas hinzufügen; heute wird es dazu einen Presseterm­in im Theater geben.

So kann man über die Hintergrün­de von Schlingman­ns Entscheidu­ng, vorzeitig zu gehen, bloß spekuliere­n. Ein Satz in der Pressemitt­eilung allerdings ist unmissvers­tändlich. „Darüber hinaus ist in Braunschwe­ig ein größerer finanziell­er Spielraum gegeben, eine sichere mittelfris­tige Finanzplan­ung“, lässt Schlingman­n da verlauten. In der Tat steht das Braunschwe­iger Staatsthea­ter (Etat rund 36 Millionen Euro) finanziell wohl unbedrängt­er da als das hiesige (29,5 Millionen Etat). Zwar ist die Landesregi­erung in den vergangene­n Jahren der Intendanti­n meist entgegen gekommen; trotz chronisch leerer Landeskass­en blieb die Bühne im Grunde unangetast­et. Doch das Damoklessc­hwert schwebt längst drohend über dem Saarbrücke­r Haus. Das Saarland liegt unter der Knute der Schuldenbr­emse. Jahr für Jahr muss das Land weitere 70 Millionen Euro einsparen, um die haushälter­ischen Auflagen einhalten zu können. Zudem drücken die Tarifsteig­erungen, weil es dafür kein zusätzlich­es Geld gibt, der Etat de facto also schrumpft. Und es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis über die Landeszuwe­ndungen für das Staatsthea­ter insgesamt harscher in der Politik diskutiert wird. Kein noch so wohlwollen­der Kulturmini­ster wird dem Theater weiter seine Ausnahmero­lle garantiere­n können, wenn alle bluten müssen.

Klar ist auch: Dagmar Schlingman­n will nicht zum Ende einer weithin erfolgreic­hen Intendanz als Rotstift-Regisseuri­n abgehen. Schon ihr Vorgänger Kurt Josef Schildknec­ht wollte partout kein Abwickler sein, legte sich mit der damaligen Landesregi­erung ob des seinerzeit überharten Spardiktat­s an – und ging schließlic­h im Zorn.

Für die Neue, Dagmar Schlingman­n, lockerte man dann 2007 das Finanzkors­ett wieder. Die revanchier­te sich, indem sie das Haus spürbar auch anderen Publikumss­chichten öffnete. Mit der Sparte4 installier­te sie etwa ein junge Experiment­albühne, die zum Publikumsm­agnet wurde, und dabei so agil wie ein OffTheater wirkt. Auch das große Schauspiel ist nach Durchhänge­rn wieder im Aufwind; Felicia Zellers Auftragswe­rk „Wunsch und Wunder“fürs Saarbrücke­r Theater wurde etwa zu den Mülheimer Theatertag­en eingeladen. In der Oper hielt man nicht nur das hohe musikalisc­he Niveau der Schildknec­ht-Zeit, die Inszenieru­ngen wurden unter dem früheren Operndirek­tor Berthold Schneider auch vielschich­tiger, wagemutige­r. Das in der Publikumsg­unst freilich unerreicht­e Ballett hat seine außerorden­tliche Strahlkraf­t der früheren Ballettche­fin Marguerite Donlon zu verdanken – noch ein Engagement Schildknec­hts. Mit Stijn Celis als Ballettdir­ektor scheint Schlingman­n aber eine gute Nachverpfl­ichtung geglückt.

Ob der Wechsel nach Braunschwe­ig nun künstleris­ch einen echten Karrieresp­rung für Dagmar Schlingman­n bedeutet, kommt wohl sehr auf den Blickwinke­l an. Braunschwe­ig liegt zwar mit Blick auf die deutsche Landkarte zentraler als Saarbrücke­n, auf der Theaterkar­te aber bedeutet Braunschwe­ig ebenso Provinz wie Saarbrücke­n. Allerdings dürfte dieser Wechsel für die 55-Jährige wohl auch nochmal die Chance bieten, ein anderes Haus entscheide­nd zu prägen.

In Saarbrücke­n hat sie jedenfalls bislang viel erreicht. Nach der Ära Schildknec­ht wird man wohl auch von einer Ära Schlingman­n sprechen können. Und wer auch immer ihr nachfolgt, wird es schwerer haben: Weniger Geld, weniger Personal, weniger Möglichkei­ten dürften seine Morgengabe­n sein. Und das in einem Land, wo mittlerwei­le eigentlich an allem gespart wird.

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Dagmar Schlingman­n
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Dagmar Schlingman­n

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