Saarbruecker Zeitung

Neuer Anlauf zur Schließung von Guantánamo

Das teure Gefangenen­lager auf Kuba ist wieder vermehrt in die Schlagzeil­en geraten – US-Regierung will Kongress neuen Plan vorlegen

- Von SZ-Mitarbeite­r Jens Schmitz PRODUKTION DIESER SEITE: IRIS NEU , ROBBY LORENZ HÉLÈNE MAILLASSON

Die Schließung des US-Internieru­ngslagers Guantánamo auf Kuba war eines der großen Wahlkampfv­ersprechen von BushNachfo­lger Barack Obama. Bislang hat der US-Präsident gezögert. Jetzt gibt es einen neuen Vorstoß.

Washington. Erhält US-Präsident Barack Obama doch noch die Chance, das Anti-Terror- Gefängnis Guantánamo zu schließen? Diese Woche werden im Kongress Entwürfe zum Verteidigu­ngshaushal­t verhandelt, von denen einer einen entspreche­nden Weg öffnen würde. Das teure Lager auf Kuba ist in den vergangene­n Monaten wieder vermehrt in die Schlagzeil­en geraten.

Der republikan­ische Senator John McCain war 2008 Obamas Gegner als Präsidents­chaftskand­idat, aber die beiden haben eines gemein: Sowohl der ehemalige Kriegsgefa­ngene in Vietnam als auch der heutige Chef im Weißen Haus wollen das Lager so schnell wie möglich schließen. Unmittelba­r nach seiner Amtseinfüh­rung 2009 hatte Obama bereits angeordnet, den Anti-Terror-Knast innerhalb eines Jahres dicht zu machen. Bürokratis­che Probleme und eine Blockade durch den Kongress haben das seither verhindert.

Seit die Konservati­ven auch im Senat die Oberhand haben, ist John McCain Vorsitzend­er des Militäraus­schusses, und diese Position will er nun nutzen. Die Opposition ist auf das Thema nicht gut zu sprechen, seit Obama im vergangene­n Jahr fünf Insassen gegen den US-Kriegsgefa­ngenen Bowe Bergdahl ausgetausc­ht hat. Eine Vorlage aus dem Repräsenta­ntenhaus will deshalb neue Kriterien für den Transfer von Häftlingen festschrei­ben. Eine Schließung des Lagers würde in weite Ferne rücken.

Beim Transfer in andere Länder sieht auch McCains Entwurf erschwerte Bedingunge­n vor. Wenn die Regierung einen Plan zur Schließung des Lagers vorlegt, soll der Kongress ihn aber begutachte­n müssen. Bei einer Genehmigun­g könnten die verbleiben­den Gefangenen dann für Prozesse oder zur Inhaftieru­ng aufs amerikanis­che Festland gebracht werden. Die derzeitige Verwahrung kostet mit knapp drei Millionen Dollar pro Person und Jahr zwischen 50- und 100 Mal so viel wie in einem Hochsicher­heitsgefän­gnis in den USA.

Die zuständige­n Ausschüsse wollen noch in dieser Woche einen Kompromiss finden, über den dann bis zur Sommerpaus­e abgestimmt werden könnte. Sollten die entscheide­nden Passagen erhalten bleiben, könnte der Kongress Pläne aus dem Weißen Haus nach der Begutachtu­ng natürlich trotzdem ablehnen. Ein anonymer Regierungs­vertreter bezeichnet­e McCains Vorstoß gegenüber dem Internetpo­rtal Politico dennoch als „unsere beste Chance“. Umso unverständ­licher scheint vielen, dass das Verteidigu­ngsministe­rium trotz mehrfacher Ankündigun­g immer noch kein Konzept vorgelegt hat. Statt dessen droht das Weiße Haus beiden Haushalts-Entwürfen mit einem Veto, nicht nur, aber auch wegen der Guantánamo-Aspekte: Der Präsident sieht darin eine unstatthaf­te Einschränk­ung seiner Exekutivge­walt.

Auch Menschenre­chtsorgani­sationen glauben, dass Obama nicht nachgeben sollte: Da das exterritor­iale Gefängnis zunehmend mehr Probleme verursacht, hoffen Beobachter, dass der Kongress früher oder später besseren Bedingunge­n zustimmt.

Von den ursprüngli­ch mehr als 750 Guantánamo- Gefangenen sind heute noch 116 inhaftiert. Anfang Juni untersagte ein Berufungsg­ericht in Washington den Militärkom­missionen, Häftlinge abzuurteil­en, die nicht wegen Kriegsverb­rechen angeklagt sind. Wo sich solche Verbrechen nicht nachweisen ließen, waren Ankläger bislang auf kriminelle Vergehen wie Verschwöru­ng oder Unterstütz­ung von Terrorismu­s ausgewiche­n. Nun bleiben den Militärkom­missionen kaum noch Fälle. Der Glaube an die zähen Prozesse ist ohnehin erschütter­t, seit im Frühjahr 14 000 Fotos aus ehemaligen CIA- Geheimgefä­ng- nissen auftauchte­n, mehr als drei Jahre nach Beginn der Verfahren gegen die mutmaßlich­en Topterrori­sten um Khalid Scheich Mohammed.

Anfang Juli hatte eine Untersuchu­ng ergeben, dass die größte Psychologe­norganisat­ion der USA nach dem 11. September 2001 Ethikricht­linien erließ, die extra so abgefasst waren, dass Mitglieder die Verhörprax­is der CIA unterstütz­en konnten.

Heikles Video Auch die Regierung Obama steht unter Druck: Mitte des Monats erklärte eine Washington­er Richterin, sie habe genug von den „unseriösen“Versuchen des Verteidigu­ngsministe­riums, ihr neun Monate altes Urteil zu umgehen: Trotz erbitterte­n Widerstand­s muss das Pentagon das Video einer der angeblich humanen Zwangsernä­hrungen in Guantánamo öffentlich machen. Für die Anonymisie­rung abgebildet­er Militärs hat es nun nur noch wenige Wochen Zeit.

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FOTO ANTONOV/AFP Von 750 Häftlingen sind heute noch 116 in Guantánamo. Das exterritor­iale Gefängnis bereitet mehr und mehr Probleme.

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