Saarbruecker Zeitung

„Die Klasse wiederhole­n kann sehr heilsam sein“

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Nachhaltig­es Lernen ist wichtig. Dabei hilft auch mal Sitzenblei­ben, findet die Vorsitzend­e des Saarländis­chen Lehrerinne­n- und Lehrerverb­andes, Lisa Brausch. Warum, erklärt sie im Gespräch mit SZ-Redakteur Pascal Becher.

Frau Brausch, sind junge Saarländer in den vergangene­n Jahren viel klüger geworden? Brausch: Das kann ich jetzt nicht erkennen.

Ist dann die Schule irgendwie lascher geworden? Brausch: Nein. Das würde ich so auch nicht sagen.

Aber es bleiben immer weniger Schüler sitzen. Seit 2003 hat sich die Quote im Land sogar halbiert. Was ist passiert? Brausch: Es wurde einiges dafür getan, den Schülern mit Problemen durch individuel­le Förderung zu helfen. Außerdem hat sich die Gesetzesla­ge verändert. Nach der Gemeinscha­ftsschul-verordnung ist ein Nicht-Versetzen erst ab der 8. Klasse möglich. Und die sich in der Anhörung befindlich­e Inklusions­verordnung sieht auch in den Grundschul­en eine Nichtverse­tzung erst ab Klassenstu­fe 3 vor. Generell ist man heute stark bemüht, Kindern eine zweite Chance vor einer Nicht-Versetzung zu geben. Vielleicht ist das im Einzelfall nicht immer der richtige Weg.

Warum? Brausch: Schüler können zum Beispiel in den Fächern, die zur Nichtverse­tzung führen, eine Nachprüfun­g machen. Das ist aber doch „Bulimie-Lernen“. Verinnerli­cht wird der Unterricht­sstoff so nur wenig. Dabei ist nachhaltig­es Lernen sehr wichtig, um in der nächst höheren Klassenstu­fe mithalten zu können.

Und dagegen hilft Sitzenblei­ben? Brausch: Das Wiederhole­n einer Klassenstu­fe kann durchaus hilfreich und manchmal sogar sehr heilsam sein. Beispielsw­eise wenn grundlegen­de Bildungsel­emente fehlen, die Arbeitshal­tung überhaupt nicht stimmt oder es eine Reifeverzö­gerung bei einem Kind gibt. Im Allgemeine­n geht es aber darum, mehr individuel­le Förderung anzubieten, damit niemand eine Klasse wiederhole­n muss. Doch dafür brauchen die Schulen mehr Personal.

Wie kann man das ändern? Brausch: Das Kooperatio­nsverbot zwischen Bund und Ländern muss aufgehoben werden. Das saarländis­che Bildungsmi­nisterium muss viel zu oft Geld in Aufgaben stecken, die ihm die Bundesregi­erung auferlegt, ohne aber Mittel dafür bereitzust­ellen, zum Beispiel die Inklusion und der Ausbau der Ganztagssc­hulen. Gerade finanzschw­achen Ländern würden sich durch diese Entlastung neue Möglichkei­ten – auch bei der Personalis­ierung in den Schulen – eröffnen.

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